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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Stück hinter ihnen. Obwohl sie sich augenscheinlich unterhielten, schenkten sie einander nicht sonderlich viel Beachtung. Stattdessen wanderten ihre Blicke ruhelos umher, ständig auf der Suche nach neuen Skandalen und Geschichten. Als sie an »Kinskis makaberen Theater« vorbeikamen, gellte ein Schrei durch die Nacht. Jonathan drehte sich um und sah, wie ein Mann an den Füßen durch die Tür von »Pola Lichts exotischem Kerzenladen« gezerrt wurde. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich festzuhalten, schlug er verzweifelt mit den Armen um sich und klammerte sich schließlich an einen Laternenpfahl. Er schrie nicht um Hilfe, da ihm offensichtlich klar war, dass es sinnlos sein würde. Das Tauziehen dauerte wenige Sekunden, bis die unsichtbare Kreatur den Mann mit einem kräftigen Ruck ins düstere Innere des Ladens beförderte. Alles was von ihm übrig blieb, war sein Zylinder, der einsam über den Bürgersteig rollte.
    »Die wollen dem wohl unbedingt Kerzen andrehen«, murmelte Jonathan.
    »So kann man es auch sehen«, pflichtete ihm Carnegie bei. »Entweder das oder sie wollen unbedingt Kerzen aus ihm machen.«
    Jonathan machte ein entsetztes Gesicht, woraufhin der Wermensch schallend loslachte.
    »Darkside schockiert dich immer noch, nicht wahr? Ich dachte, du hättest dich inzwischen daran gewöhnt.«
    »Das ist etwas viel verlangt!«, erwiderte Jonathan entrüstet. »Es wäre etwas leichter, wenn nicht jeder hier so verdammt verrückt wäre!«
    »Aber wo wäre dann der Spaß dabei? Komm, hier entlang.«
    Carnegie winkte, verließ die Hauptstraße und betrat eine breite abgeschiedene Nebenstraße. Der sichelförmige Mond hing tief am Himmel und beleuchtete eine Reihe ausladender viktorianischer Stadthäuser. Carnegie steuerte auf das größte der Gebäude zu, das protzig am Ende der Straße thronte. Halbkreisförmige Stufen führten hinauf zu einer verschnörkelten Eingangstür, die links und rechts von gigantischen Marmorsäulen flankiert wurde. Über der Tür prangte ein Wappen mit der lateinischen Inschrift Ego sum messor fratris mei . Vorhänge verhinderten, dass die neugierigen Augen der Armen und Unwürdigen sehen konnten, was innen vor sich ging. Zwei schwergewichtige Männer waren in Portieruniformen gezwängt worden. Die Knöpfe und Kordeln hingen schief an zwei Körpern, die auf rohe Gewalt ausgelegt waren.
    »Das ist er«, knurrte der Wermensch. »Der ›Kain-Club‹. Der exklusivste Privatklub in Darkside. Nur wer stinkreich ist, kommt hier rein.«
    Lucien räusperte sich bedeutungsvoll.
    »Wo wir gerade beim Thema sind … wie beabsichtigen Sie, uns da reinzubringen? Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht Mitglied sind?«
    Carnegie warf ihm einen finsteren Blick zu.
    »Mein Abonnement ist abgelaufen.«
    »Selbstverständlich. Es ist nur so, dass die Wachen hier nicht gerade für ihre Liebenswürdigkeit bekannt sind, und vielleicht wäre es klug, sich einen Plan zurechtzulegen, bevor wir weitergehen.«
    »In Ordnung. Wie wäre es, wenn Sie für eine Sekunde die Klappe hielten und mich die Sache regeln ließen? Ihr Reporter redet zu viel.«
    Der Herausgeber wurde blass.
    Jonathan blickte über die Schulter und lächelte.
    »Carnegie ist auch nicht gerade für seine Liebenswürdigkeit bekannt. Wenn ich Sie wäre, dann würde ich ihn einfach machen lassen.«
    Als der Wermensch davonstapfte, hielt Lucien Jonathan zurück und flüsterte ihm ins Ohr.
    »Hat er dich jemals bedroht?«
    »Nahezu täglich.«
    »Ich kann wirklich nicht behaupten, ihn gut zu kennen, aber ich kenne sehr wohl seinen Ruf. Bist du dir sicher, dass du dich mit so einem Menschen abgeben willst?«
    Carnegie stapfte die Stufen zum »Kain-Club« hinauf und machte sich nicht die Mühe, auch nur ein Wort mit den Türstehern zu wechseln, als er an ihnen vorbeirauschte. Irritiert von seiner zerzausten Erscheinung hielten sie eine Sekunde inne. Das reichte. Carnegies linker Fuß schnellte hoch und traf einen der Türsteher am Solarplexus, sodass dieser rückwärts gegen eine der Säulen krachte. Der andere schwang ungeschickt seine Faust, aber der Wermensch duckte sich darunter hinweg und rammte ihm das Knie in die Leistengegend.Carnegie betrachtete die zusammengesunkenen Gestalten mit gespielter Überraschung, dann drehte er sich um und rief seine Begleiter.
    »Kommt ihr jetzt oder was ist los?«
    Jonathan grinste den Herausgeber an.
    »Lucien, Carnegie ist genau die Art Mensch, mit der ich mich abgeben möchte.«
    Sie schlichen

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