Der Schwarze Phoenix
passiert?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich war gerade dabei, dieses Stockwerk nach Hinweisen zu durchsuchen, als plötzlich dieser Kerl aus dem Schatten auf mich zusprang und versuchte, mir mit dem Ding den Schädel einzuschlagen.«
Lucien deutete auf den Schürhaken und zuckte bei der Bewegung vor Schmerz zusammen.
»In Anbetracht seiner Größe kann ich mich glücklich schätzen, dass er nicht getroffen hat.«
Jonathan hatte eine Idee. Er wandte sich an den Wermenschen.
»Glaubst du, dass das der Typ aus dem ›Mitternacht‹ war?«
»Correlli? Wohl kaum. Er verbirgt sein Gesicht nicht. Er will, dass die Leute wissen, mit wem sie es zu tun haben. Nein, das war jemand anderes, der uns umbringen wollte.« Der Wermensch legte den Kopf schief. »Aber warum hat er sich hier versteckt?«
Carnegie kratzte sich am Kopf und lief auf der Suche nach einem Hinweis quer durch den Raum. Als der Wermensch begann, die Wände nach einer Geheimtür abzuklopfen, fiel Jonathan eine Lücke in der Reihe von Fotografien auf, die die Wand neben den Kamin bedeckte.Er schob einen Lehnstuhl beiseite und entdeckte die Reste eines zerbrochenen Bilderrahmens, die über den Teppich verteilt waren.
»He, seht euch das an!« Jonathan hielt eine Glasscherbe hoch und zeigte sie Carnegie. »Scheint so, als wollte der Kerl Beweismittel vernichten.«
Carnegie ließ sich auf die Knie sinken und spähte in die Feuerstelle. Was auch immer in die Flammen geworfen worden war, war längst zu Asche verbrannt, bis auf einen versengten Fetzen Zeitungspapier, der an den Rand des Kamins geflattert war. Der Wermensch schnappte ihn sich und betrachtete ihn.
»Vielleicht war es doch keine Zeitverschwendung. Jetzt lasst uns von hier verschwinden. Wo ist Arthur?«
Plötzlich ertönte ein Schmerzenschrei von unten. Lucien runzelte die Stirn.
»Klingt so, als wäre er das. Vermutlich sind die Türsteher wieder aufgewacht.«
Carnegie rückte seufzend seinen Hut zurecht, murmelte das Wort »Reporter« vor sich hin, als wäre es ein Schimpfwort, und marschierte zielstrebig aus dem Zimmer.
Um kurz nach drei Uhr morgens war es ruhig in den Büros des »Kuriers«. Die neuste Ausgabe war gedruckt und befand sich in den eifrigen Händen der Zeitungsjungen. Die monströsen rostigen Druckerpressen, dietagsüber im Keller brummten, schlummerten jetzt. Die meisten Reporter hatten auf der Suche nach neuen Sensationen oder anderen düstereren Ablenkungen das Haus verlassen. Nur eine kleine Gruppe von Menschen war zurückgeblieben und versammelte sich um den Schreibtisch im Büro des Herausgebers. Ihre Gestalten warfen lange Schatten im Kerzenlicht.
»Ich glaube, das könnte eine Spur sein«, sagte Arthur, »aber was nun?«
Ein Auge des Reporters war zugeschwollen. Carnegie war gerade noch rechtzeitig in der Eingangshalle aufgetaucht, um zu verhindern, dass er weitere Schläge von den Türstehern bekam. Ihr Abgang aus dem Kain-Club war ziemlich hektisch gewesen und von lautstarken Drohungen und fliegenden Stühlen begleitet worden. Nach dem Lärm der letzten Stunden war die gedämpfte Stille im Büro des »Kuriers« für Jonathan eine Wohltat. Er gähnte und fühlte sich, als habe er einen Monat nicht geschlafen.
Doch er versuchte, wach zu bleiben, lehnte sich über den Tisch und las nochmals den Zeitungsschnipsel. Zwischen den schwarzen Rändern des Papiers konnte man nur noch ein paar einzelne Worte erkennen:
Die Crème de la Crème der Darksider Gesellschaft war auf dem Maskenball im Kain-Club anwesend und feierte den Jahrestag der Inthronisierung von Thomas Ripper. Unter ihnen befanden sich fünf ehrenwerte junge Männer, die sich selbst »Die Gentlemen« nennen. (Siehe obiges Foto. Von links nach rechts: BruderHerz, Bruder Lebemann, Bruder Furchtlos, Bruder Stahl und Bruder Flink.)
Ohne das dazugehörige Foto half ihnen der Artikel nicht weiter. Jonathan versuchte, positiv zu denken.
»Nun … wir wissen, dass Edwin Bruder Furchtlos war. Und wir haben auch schon von Bruder Flink gehört. Zumindest kennen wir jetzt die Namen der restlichen Gentlemen.«
»Das ist ja schön und gut«, erwiderte Arthur. »Aber es wäre trotzdem noch schöner, wenn wir ihre Gesichter sehen könnten. Ich gehe mal davon aus, dass unser geheimnisvoller Angreifer den Artikel deshalb verbrennen wollte.«
Lucien kratzte sich am Kopf.
»Es gibt nicht nur schlechte Nachrichten. Der Ausschnitt sieht immerhin so aus, als wäre er aus unserer Zeitung – aus dem Gesellschaftsteil.
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