Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
Vom Netzwerk:
dumpfen Geräusch blieb der Haken an einer der Dornen hängen und krallte sich fest. Carnegie nickte anerkennend.
    »Guter Wurf. Du vergeudest dein Talent bei der Zeitung.«
    Arthur spuckte sich in beide Hände, umklammerte das Seil und kletterte hinauf. Jonathan starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Er hätte es nie für möglich gehalten, aber irgendwie schaffte es der Reporter, seinen massigen Körper die Mauer hochzuhieven. Arthur musste bemerkenswert starke Arme haben. Jonathan dachte daran, was für ein gefährliches Leben Arthur führte und wie oft er wohl schon einem Mordanschlag entgangen war. Man unterschätzte den Reporter leicht, aber unter seinen Speckrollen verbarg sich ein eiserner Wille.
    Am oberen Ende angekommen, duckte sich Arthur zwischen zwei Dornen. Er vergewisserte sich, dass die Luft rein war, und gab Carnegie ein Zeichen, der sich mit Leichtigkeit hochzog. Jonathan atmete tief durch und begann ebenfalls seinen Aufstieg. In der Schule war er im Sportunterricht nie besonders geschickt gewesen und der Nebel hatte das Seil rutschig gemacht. Er machte einen Schritt nach dem anderen und ertastete sich mit den Füßen Tritte in der Mauer, sodass er trotzdem langsam, aber stetig nach oben kletterte. Schließlich kamen die Dornen in Sicht und ein starker Arm zog ihn das letzte Stück hinauf und setzte ihn auf der Mauer ab.
    »Nicht schlecht für das erste Mal«, flüsterte Carnegie.
    Jonathan nickte, da er zu sehr außer Atem war, um zu sprechen. Neben ihm spähte Arthur über das Geländewie der Ausguck auf einem Piratenschiff. Jonathan folgte seinem Blick.
    »Was zum Teufel ist das?«, schnaufte er.
    Vor ihnen ragte inmitten eines weitläufigen Schotterfeldes eine runde, kuppelförmige Konstruktion auf. Bedrohliche Stahlwände erhoben sich weit in den Himmel. Es war die tote Hülle eines Gebäudes. Zahllose Fenster reihten sich nebeneinander auf, die meisten von ihnen waren zerbrochen. Innen war kein Licht zu sehen.
    »Natürlich!«, rief Arthur. »Das Panoptikum!«
    »Pan-was?«
    »Panoptikum. Es ist eine Art Gefängnis. Es wurde von den Behörden gebaut, bevor Darkside vom Rest Londons abgeschnitten wurde. Sie hatten gehofft, damit die Kriminalitätsrate zu senken, aber es hat nicht funktioniert.«
    »Warum nicht?«
    »Darksider sind keine großen Freunde von Gefängnissen. Draußen versammelten sich so viele Leute, die den Insassen bei der Flucht helfen wollten, dass sich daraus eine Belagerung entwickelte. Die Wächter flüchteten, als Darkside gegründet wurde, und seitdem wurde das Gefängnis nicht mehr benutzt. Um ehrlich zu sein, hatte ich sogar vergessen, dass es existiert.«
    Jonathan suchte das bedrohlich wirkende Gebäude nochmals mit seinen Augen ab.
    »Und Marianne glaubt, dass de Quincy dort wohnt?«
    Der Reporter zuckte mit den Schultern.
    »Es ist nicht gerade gemütlich, aber es ist sicher, darauf kannst du dich verlassen. Sollen wir es uns ansehen?«
    Aus den Augenwinkeln nahm Jonathan eine Bewegung wahr.
    »Warte mal. Was ist denn das?«
    Er deutete auf zwei Schatten, die sich auf sie zubewegten.
    »Oh, Hunde«, seufzte Arthur. »Ich mag keine Hunde.«
    Nach Jonathans Auffassung wurde das Wort »Hunde« den beiden Ausgeburten der Hölle, die auf sie zugaloppierten, nicht ganz gerecht. Sie hatten annähernd die Größe von Ponys und ihre Bewegungen waren Ausdruck schierer Muskelkraft. Bei jedem Bellen zeigten sie ihre sabbernden Kiefer, die vor Zähnen nur so strotzten. Als sie den Teil der Mauer erreichten, auf dem die drei Eindringlinge kauerten, sprangen sie an ihr hoch und rissen mit ihren Krallen ganze Stücke aus dem Mauerwerk. Jonathan lehnte sich panisch zurück. Jetzt ein Fehltritt, und er würde von den Bestien zerfleischt werden.
    Ohne ein Wort zu sagen, sprang Carnegie nach unten. Er hielt mit einer Hand den Hut fest, während sein Mantel wie die Flügel einer Fledermaus im Wind flatterte. Die Bestien wollten sich auf den Wermenschen stürzen, als er landete, hielten aber plötzlich verwirrt inne. Sie hörten auf zu bellen und schlugen nicht mehr mit den Pranken. Einer von ihnen schnüffelte vorsichtig und rieb den Kopf an Carnegies Bein.
    Carnegie blickte grinsend zu seinen Begleitern hoch.
    »Kommt schon. Alles in Ordnung. Das sind Mischlinge – halbe Wölfe. Sie werden euch nichts tun, solange ich bei euch bin.«
    Arthur warf das Seil hinunter und ließ sich auf den Boden hinabgleiten. Nach kurzem Zögern folgte ihm Jonathan. Die Hunde beäugten die beiden

Weitere Kostenlose Bücher