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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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ihr das?
     
    In die Muschel hab ich ihr gerotzt, Maresciallo, hatte ihm einmal ein großer Kerl aus Fonni geantwortet, als Crissanti seine Brötchen noch im Veneto verdiente, er hatte dem Burschen in die Augen geblickt, als wollte er sagen, Bist du verrückt? Zu einem Maresciallo? Der andere hatte den Blick gesenkt, vielleicht hatte er den Landsmann in ihm erkannt, das bisschen Respekt für das gemeinsame Exil, Crissantis römischer Kollege hatte weder geschaut noch nachgedacht, er hatte nicht länger als eine Sekunde gewartet, hatte einen Schritt vorwärts gemacht, hatte dem jungen Burschen einen Fußtritt ins Gesicht versetzt, wie Martino Crissanti ihn höchstens in Filmen gesehen hatte, blutige Nase, die Flüche des Getroffenen, der Soldat, der ihn weiter mit den Fäusten bearbeitete und anspuckte, Verdammter Idiot, wirst du dein ungewaschenes Maul halten, still und keinen Mucks, Scheißdrogensüchtiger, Scheißbastard, Crissanti hatte den Kollegen von ihm weggestoßen, hatte ihn bei den Vorgesetzten und beim Richter angezeigt, hatte einen dreistündigen Wutausbruch des Provinzkommandanten über sich ergehen lassen müssen, eine halbe Gehirnwäsche über die schmutzige Wäsche, die anständige Leute in der Familie waschen, über die Kugeln und die Ehre und die Drogen und den Druck, den Heldenmut, der dazugehört, auf der Straße mit dem Abschaum der Gesellschaft zu kämpfen, und hunderttausend weitere Vorträge und am Ende seine Versetzung, das verschlafene Provinzstädtchen Ferrara, Fliegen und Langeweile zum Mittag- und zum Abendessen, dann Garbatella Agnano und schließlich Nuraiò, immer stärkere Langeweile, aber endlich die Insel, auch wenn er nicht darum ersucht hatte, und eine Kaserne ganz für sich allein, die er leiten konnte, endlich erwachsen, endlich sicher.
     
    Ich bin mir in Bezug auf nichts sicher, denkt Crissanti, während er sich im Sessel seines Büros entspannt, draußen regnet es, dann hört der Regen auf, wie ein launisches Unwetter, wie ein trauriger Walzerrhythmus, Tropfen und Donner und Pause und wieder Regen und wieder Donner, das alte Buch wird er morgen zu Ende lesen. Ich rufe den Jungen an, sagt sich der Maresciallo, Mal hören, ob er ruhig ist, ob sein Regen genauso klingt wie der hier.

15
    Viele hat er gesehen, Alberto Sannìo, Leute mit goldenen Beinen wie Pelé, die mit fünfzehn Jahren niemand aufhalten kann, unbesiegbar schnell hart, weder Fußtritte noch Anrempeleien von hinten können sie zu Fall bringen, nervös draufgängerisch, sie heben erst dann den Kopf, um die anderen anzusehen, nachdem sie ein Tor geschossen haben, viele hat er gesehen, Albertino, sichere Meister, die schon mit dreizehn Beine wie Männer haben, einen Blick, der dir sagt, solche wie ich werden nicht viele geboren, viele hat er gesehen, Alberto, junge Burschen stärker als er, an denen der Ball stundenlang klebt, die sich den Ball gegenseitig so lange zuspielen, bis sie die anderen verzaubern, die viermal das Training schwänzen können und dann zurückkommen und den Gegnern zeigen, was Fußball ist, viele hat er gesehen, der Junge, Leute, die sich Tag für Tag ruinieren, weil sie willensschwach sind, weil sie sich mit den Freunden prügeln, jeden Abend betrunken, und Haschisch und kleine Picknicks in den Nutzgärten, viele hat er gesehen, die auf dem Platz bei Sonnenuntergang mit einem Zug beginnen, dann jeden Samstag in Assemini mit den Spielwarten streiten, viele hat er gesehen, Alberto Sannìo, die am Sonntag so alkoholisiert ankommen, dass man ein Streichholz an ihnen anzünden kann, sich eine Stunde vor dem Spiel mit hervor quellenden Augen auf die Bank werfen, noch zwei Züge machen eine Sekunde bevor sie aufs Feld hinausgehen, viele hat er gesehen, immer magerer in ihren zerrissenen Jeans, die eines schönen Tages achtzehn werden und nicht länger als zwanzig Minuten durchhalten, langsam geworden auch für die schlechtesten Verteidiger, viele hat er gesehen, Albertino, junge Pelés, die auf der Tribüne enden und die Welt verfluchen und dann den Trainingsanzug an den Nagel hängen, viele hat er gesehen, Alberto, und stets hat er sich geschworen, er nicht, niemals er.
     
    Niemals er, er nicht, er hat immer präzise geschossen, trainiert und seine Runden auf dem Feld gedreht und geschwitzt und auf die Ratschläge der anderen gehört, er ist immer pünktlich gekommen, er, halber Außenstürmer, präzise und selbstlos, mit hocherhobenem Kopf den Ball tanzen lassend, er, das richtige Gewicht und

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