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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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gilt dann
für ein ganzes Jahr. Sämtliche Lokal-, Regional- und Bundesverbindungen sowie
das Busnetz sind integriert, sodass kaum Wartezeiten anfallen. Man erhält
jederzeit eine detaillierte Fahrplanauskunft für jede beliebige Reise innerhalb
der Schweiz, auch wenn dabei drei oder vier verschiedene Transportmittel
benutzt werden. Auf der Website der SBB geben Sie
einfach Ausgangspunkt und Ziel der Fahrt ein, und prompt wird die ganze Route
mit sämtlichen Anschlusszeiten und Bahnsteignummern geliefert, ganz gleich ob
Sie per Bahn, Schiff, Trambahn, Lokalbus oder Seilbahn reisen. Besser noch, man
kann für die Gesamtroute eine einzige Fahrkarte lösen, egal wie viele Betreiber
beteiligt sind. Neben den SBB gibt es noch
verschiedene regionale Gesellschaften, den Postbus, private Bergbahnen und den
öffentlichen Nahverkehr in jeder Stadt. Viele Anbieter, ein System. Das ist
nicht nur effizient, sondern auch kundenfreundlich.
    Aber damit nicht genug. Neben den Schweizer Linien der SBB und anderer Betreiber verkehren auf dem
Schienennetz auch Züge aus Nachbarländern, die allesamt ohne Reservierung und
andere Beschränkungen genutzt werden können. Man kann also mit einem deutschen ICE von Basel nach Interlaken oder mit einem
französischen TGV von Bern nach Neuchâtel fahren.
Ob diese Züge nun nach Paris oder Innsbruck fahren oder aus Hamburg kommen,
solange sie die Schweiz durchqueren, sind sie in den nationalen Fahrplan
integriert. Was den Eidgenossen banal erscheint, ist für andere ein kleines
Abenteuer. Für mich ist die zwanzigminütige Fahrt von Bern nach Thun in einem
deutschen Zug, der seit seiner Abfahrt in Berlin vor sieben Stunden weite Teile
Deutschlands durchquert hat, viel aufregender als in einem Vorortzug. Der
Fahrgast staunt schon über die außerordentliche Länge der deutschen Züge, deren
Waggons Gänge und abgeschlossene Abteile haben. Sie mögen modern sein, aber
trotzdem wirken sie wunderbar altmodisch, als würde man im Hogwarts Express
sitzen oder im Sonderzug aus Hitchcocks Film Eine Dame verschwindet .

Perfektion hat ihren Preis
    Das Bemerkenswerte an Schweizer Zügen ist, dass sie –
anders als Star Wars- Prequels oder der neue John
Grisham – ihrem Ruf gerecht werden: Sie sind sauber, bequem, teuer und fast
immer pünktlich. Wie wir wissen, kommen 4,2 Prozent der Schweizer
Züge zu spät, was Entschuldigungen per Lautsprecher und wartende Anschlusszüge
zur Folge hat. In der Regel bleiben nur die Uhren, größtenteils »Made in
Switzerland«, besser im Takt als die Eisenbahn.
    Aber auch dieses Schienennetz hat schlechte Tage.
Glücklicherweise sind sie jedoch so selten wie eine schweizerische
Kriegserklärung. Es ist schon eine Weile her, da legte ein Stromausfall das
ganze System einen Tag lang lahm: eine unvorstellbare Katastrophe in einem
Land, das zuverlässigen öffentlichen Verkehr gewohnt ist. Die Sondersendungen
nach den Abendnachrichten an jenem Tag zeigten Bilder von überfüllten
Bahnsteigen und auf Brücken liegen gebliebenen Zügen, während Interviews mit
verstörten Pendlern und erschöpften Amtsträgern die allgemeine
Fassungslosigkeit spiegelten. Den Zuschauern, die glaubten, Bilder vom
Weltuntergang zu sehen, sei verziehen: Aus Schweizer Sicht war es der
Weltuntergang. Selbstverständlich bekamen alle Betroffenen den Fahrpreis
erstattet.
    Das Unangenehme am Bahnfahren sind die Preise, die
schon immer hoch waren. Wobei die Schweizer ja grundsätzlich der Auffassung
sind, dass Qualität nun mal ihren Preis hat, was in diesem Fall stimmt. Um
diesen Schmerz zu lindern, gibt es für 165 Franken das Halbtax-Abo,
mit dem man ein Jahr lang im ganzen Land zum halben Preis fährt, und zwar mit
Zügen, Bussen, Schiffen und dem städtischen Nahverkehr. Drei Hin- und
Rückfahrten von Zürich nach Bern, und man hat die Kosten reingeholt. Kein
Wunder, dass zurzeit 2,3
Millionen Fahrgäste mit Halbtax reisen, und zwar nicht nur Schweizer. Auch für
regelmäßige Gäste, die beim Bahnfahren sparen wollen, lohnt sich die
Anschaffung.
    Wenigstens hat das Normalbillett einen festgelegten
Preis. So einfach ist das. Keine komplizierten Vorausbuchungsrabatte für
verkehrsschwache Stunden, bei denen keiner durchblickt (und bis vor Kurzem auch
keine Fahrten mit Zugbindung, die Sie dann leider nicht antreten können, weil
Sie sich schon wochenlang im Voraus

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