Der Schweizversteher
Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport geworden â, dass er die Schweizer Armee zur besten der Welt machen wolle (in seiner
Funktion als Sportminister gab er interessanterweise keine ähnlichen Ziele für
die Schweizer FuÃballmannschaft vor). Viele Schweizer würden ihm bei diesem
ehrgeizigen Vorhaben beipflichten, obwohl sie wahrscheinlich nicht sagen
könnten, warum sie das wichtig finden. Aber es gibt auch Andersdenkende: Bei
einem Referendum im Jahr 1989
sprach sich ein Drittel der Bürger für die Abschaffung der Armee aus. Und die
Dinge ändern sich, wenn auch im Schweizer Tempo. Seit 2008 müssen Soldaten ihre
Munition im Arsenal statt zu Hause aufbewahren. Das ist ein wenig seltsam, wo
doch ihre Schusswaffen im Wandschrank lagern, aber da das Gewehr als Symbol der
Schweizer Männlichkeit gilt und der Staat seinen Bürgern vertraut, ist es
unwahrscheinlich, dass sich daran so bald etwas ändern wird.
Auch wenn Sie Ihr Wissen über Geschichte und
internationales Recht nur aus Kriegsfilmen beziehen, wissen Sie zumindest, dass
die Genfer Abkommen eine gute Sache sind, denn sie schützen Kriegsgefangene und
legen Regeln des humanitären Völkerrechts fest. Und sobald Sie gesehen haben,
wie Steve McQueen in Gesprengte Ketten mit dem
Motorrad über den Grenzzaun setzt oder die Trapp-Familie übers Gebirge wandert,
wissen Sie, dass man während eines Krieges in der Schweiz am besten aufgehoben
ist. Aber die Welt ist nicht so schlicht gestrickt wie Hollywood. Krieg und
Frieden sind nicht schwarz und weià ,
beide kombiniert ergeben Schweiz. Wie passend für ein
Land, das in der Grauzone bewaffneter Neutralität lebt, nach Frieden strebt,
sich aber unentwegt auf den Krieg vorbereitet. Vielleicht ist diese scheinbar
paradoxe Haltung der Grund, warum die Schweiz unbeschadet Jahrhunderte
überstanden hat.
Wenn man das Schicksal Belgiens in zwei Weltkriegen
betrachtet, sieht man, dass Neutralität plus Armee keine Sicherheit garantiert.
Vielleicht war also doch die Gebirgslage der Schweiz im Herzen Europas die
Rettung, nicht nur ihre Armee. Aus welchem Grund auch immer, die Schweizer
Neutralität war ein Erfolg. Trotz ihrer dunklen Seiten, etwa der
Zwangsvorstellung von Invasionen, zu denen es vielleicht niemals kommt, hat sie
nicht nur das Rote Kreuz, sondern auch Sicherheit für die eigene Bevölkerung
geschaffen.
Und an diesen Erfolg erinnert jeder Ort. Beim Besuch
in Schweizer Städten und Dörfern fällt eines auf. Nicht der aus der Zeit
gefallene mittelalterliche Stadtkern mit den gemeiÃelten Brunnenfiguren, nicht
die ornamentverzierten Fassaden und überhängenden Dächer, nicht die gedrungenen
Kirchen oder die makellosen Friedhöfe. Sondern das Fehlen von Steinkreuzen und
Kriegerdenkmälern mit den Namen der toten Söhne an jedem Dorfplatz. Es dauerte
eine Weile, bis mir das klar wurde. Solche Ehrenmäler sind in GroÃbritannien,
Frankreich und Deutschland nicht wegzudenken, aber in der Schweiz findet man
sie praktisch nirgends. Wie seltsam, dass die letzten hundert Jahre im kollektiven
Gedächtnis eines geografisch und kulturell so nahen Nachbarlandes so ganz
anders verankert sind. Die beiden Weltkriege haben die Schweizer zwar
beeinflusst, aber auf andere Weise â nicht indem jede Familie einen
unmittelbaren Verlust erlitten hat. Deshalb wird an den Schulen auch nicht für
die Kriegsgräberfürsorge gesammelt, und es gibt keinen Volkstrauertag, da die
Schweizer keine Kriegstoten betrauern müssen. So unvollkommen und
widersprüchlich bewaffnete Neutralität sein mag, wenigstens gab es in der
Schweiz keine Kriegskinder und keine verlorenen Generationen. Glückspilze,
diese Schweizer!
â
Survival-Tipp
Nummer 6
Vorsicht vor dem AküFi!
Meine Probleme mit dem
IKRK
beleuchten einen
wichtigen Aspekt des Lebens im deutschsprachigen Raum: Man bekommt jeden Tag
Buchstabensuppe aufgetischt. Denn jedes Hauptwort beginnt mit einem
GroÃbuchstaben, und fast alles wird auf seine Initialen reduziert. Teil des
Verständnisproblems ist, dass die Vollversion selten benutzt wird, weil die
Abkürzung jedem anderen sonnenklar ist. Für mich als Engländer könnte BH alles
Mögliche bedeuten, für Deutschsprachige liegt hingegen auf der Hand, dass von
einem Büstenhalter die Rede ist.
Das Schweizer AuÃenministerium wird
nur als
EDA
bezeichnet, die zungenbrecherische Langform lautet
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