Der Schwur der Ritter
sofort etwas zu essen zubereiten. Wir mussten vor vier Tagen einen Bullen töten, der sich ein Bein gebrochen hatte, und ich dachte schon, ein Teil des Fleisches müsste verderben, doch jetzt können wir es gut gebrauchen, auch wenn es bis zu dieser Mahlzeit noch etwas dauern wird.«
Als sie sich wieder ihrem Neffen zuwandte, stellte sie fest, dass die rote Farbe aus seinem Gesicht gewichen war und sein Blick einen Hauch von Dankbarkeit und Staunen angenommen hatte. »Nun«, sagte sie, »hast du vor, den Rest des Abends hier herumzustehen, Thomas Randolph? Ich habe dein Haus sauber und warm gehalten, solange du nicht da warst, doch jetzt werde ich dein Gast sein.«
In seinem Gesicht ging die Sonne auf.
»Nein, Tante Jess. Ich bin nur auf der Durchreise, und dieses Haus ist dein, solange du es brauchst. Und ich danke dir.«
»Aber wofür denn?«
»Für deine Geduld und dein Wohlwollen. Sir James hat mir erzählt, dass du dem König nahe stehst. Ich dachte, du würdest es mir nicht verzeihen, dass ich die Waffen gegen ihn erhoben habe.«
»Aye … nun, du hattest unrecht. Wir haben uns sogar über dich unterhalten, der König und ich. Er hat gesagt, du erinnerst ihn daran, wie er selbst als junger Heißsporn und ritterlicher Idealist gewesen ist, den die Wirklichkeit noch nicht abstumpfen konnte. Er fürchtete, dass du einen Briganten in ihm siehst, und das hat er sehr bedauert. Doch lass uns später darüber reden – bring Sir James mit, und wir werden unseren Durst mit etwas Kräftigerem als Wasser löschen.«
Er wandte sich ab, und sie sah ihm lächelnd nach. Er musste ungefähr zwanzig sein, hatte die elegante Haltung seines Vaters geerbt und die langen Gliedmaßen, das goldene Haar und die leuchtend blauen Augen seiner Mutter. Er zog sich im Gehen den Schwertgürtel von der Schulter, und sie bewunderte die Selbstverständlichkeit, mit der er die Waffe einem wartenden Graubart zuwarf und dann auf die Hütten hinter dem Hof zuschritt.
Während der nächsten Stunden war sie vollauf damit beschäftigt, die schlichte Mahlzeit aus gegrilltem Fleisch, frischem Haferbrot und gekochtem Buttergemüse auf den Tisch zu bringen und die Einquartierung ihrer vierzig unangemeldeten Gäste zu beaufsichtigen. Und so kam sie erst kurz vor Mitternacht dazu, sich im großen Wohnraum des Bauernhauses zu ihren beiden Ehrengästen zu gesellen und sich in einen Sessel sinken zu lassen.
Das in gemütliches Halbdunkel getauchte Zimmer war geräumig, auch wenn die Decke mit den freiliegenden Balken niedrig war. Um das Feuer gruppierten sich vier Polstersessel und eine Couch. Unter dem Fenster stand ein langer Tisch aus schwarzem Eichenholz, der von zwölf passenden Stühlen mit hohen Lehnen umringt war. Kerzen brannten in Wandhaltern und in den beiden Kandelabern auf dem antiken Tisch und tauchten die Ecken des Zimmers in flackernde Schatten. Jessica seufzte zufrieden, winkte aber ab, als ihr Neffe ihr einen Becher Wein anbot.
»Nein, Thomas. Es ist schon spät, und wir müssen bei Tagesanbruch auf den Beinen sein. Doch nun erzählt mir, was euch aus dem Moor so unerwartet hierhergeführt hat.«
Thomas grinste. Er schenkte sich selbst Wein nach und wies mit seinem Becher auf den Sessel, in dem es sich Douglas bequem gemacht hatte. »Sir James, mein Häscher, war der Meinung, wir sollten dir einen Besuch abstatten.«
Jessica sah ihn an. »Dein Häscher?«
»Ja. Er hat letzten Monat in Peebles mein Schwert an sich gebracht, und ich habe ihm mein Versprechen gegeben, dass ich nicht versuchen werde, nach England zu flüchten.«
Douglas schüttelte den Kopf. »Was Ihr hier hört, ist ein schlechtes Gewissen, Lady Jessica. Ich habe ihn gefangen genommen, das stimmt. Doch dann habe ich ihn zum König gebracht, der ihm all seine Narrheiten vergeben hat und ihn mit offenen Armen willkommen geheißen hat, nachdem ihm Thomas den Treueeid geleistet hatte.«
»Und warum …?«, begann Jessie, doch Thomas unterbrach sie.
»Als ich nach der Schlacht von Methven in Gefangenschaft geriet, haben sie mich zu König Edward gebracht, der mich mit großer Freundlichkeit empfangen hat … um dann meine Leichtgläubigkeit auszunutzen. Er hat mir Lügenmärchen über Robert erzählt, und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ihm Glauben geschenkt habe.«
»Ich verstehe. Und was hat dann deinen Sinneswandel bewirkt?«
»Der Anblick Lady Isobel MacDuffs, die nackt in einem Käfig an den Mauern von Berwick steckte.« Die Worte hingen einen
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