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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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dessen Knauf ihn überragte, und an dem zerfaserten Seil, das ihm als Gürtel diente, hing ein Lederbeutel, der ziemlich leer aussah. Seine Füße steckten in Schlappen, deren Material wohl Ziegenleder war und die von Lederriemen festgehalten wurden.
    Der Besucher baute sich zwei Schritte vor Will auf und sah ihn an, ohne Tam oder Mungo eines Blickes zu würdigen.
    Will hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, und so nickte er dem Alten zu und sagte auf Schottisch: »Ein schöner Morgen.«
    Die Erscheinung nickte und richtete den Blick auf die Galeere in der Bucht. Als der Mann dann antwortete, sprach er makelloses Französisch. »So ist es in der Tat. Was führt den Admiral der Templer nach Eilean Molaise?«
    Im ersten Moment wusste Will nicht, was ihn mehr verblüffte, das perfekte Französisch aus dem Mund dieser zerlumpten Gestalt oder die Frage, die der Mann gestellt hatte. Und so fiel ihm keine bessere Erwiderung ein als: »Ihr seid mit den Templern vertraut?«
    Die tief eingesunkenen, aber leuchtenden Augen des Mannes richteten sich wieder auf ihn. »Vor langer Zeit war ich mit ihnen … so weit vertraut, dass ich die Admiralsflagge noch erkenne. Doch das ist lange her.«
    »Und wie … kam es zu dieser Vertrautheit?«
    Der Alte nickte und zuckte gleichzeitig mit den Achseln. »Ich habe dazugehört, bis ich den Orden als das wahrgenommen habe, was er war.«
    »Ihr habt ihn … als das wahrgenommen … was er war«, stammelte Will und riss sich dann zusammen. »Und was, Sir, habt Ihr wahrgenommen?«
    »Ein weißes Grab, das von innen verfault.«
    Darauf gab es keine vernünftige Antwort, und Will holte tief Luft und suchte nach Worten, mit denen er dieses bizarre Gespräch fortsetzen konnte. »Ihr sagt, Ihr habt … dazugehört. In welcher Form?«
    »Ich war einmal ein Tempelritter. Doch das ist, wie gesagt, lange her.«
    »Ein Tempelritter? Wie ist denn Euer Name, Sir?«
    Die betagten Gesichtszüge verzogen sich zu einem Lächeln, sodass man seinen zahnlosen Mund hinter der wilden Haarmatte erkennen konnte. »Meine Brüder nennen mich Gaspard.«
    »Nein, ich meine, wie lautete Euer Name, als Ihr dem Tempel gedient habt?«
    »Das ist unwichtig. Es war ein Leben, das ich hinter mir gelassen habe.«
    »Ihr habt den Tempel verlassen … Ihr meint, Ihr habt Eure Gelübde gebrochen? Ihr seid ein Abtrünniger? Doch wie …?«
    »Ich habe kein Gelübde gebrochen. Ich habe nur dem Tempel den Rücken gekehrt. Ich habe Armut, Keuschheit und Gehorsam gelobt, und so verharre ich – in Armut, wie es sich für die gebührt, die nach dem einen Weg suchen; in Keuschheit, die niemals in Gefahr gewesen ist; und im Gehorsam gegenüber meinem Vorgesetzten, dem Abt unserer kleinen Gemeinschaft.«
    Sinclair runzelte die Stirn. »Die den einen Weg suchen? Was für ein Weg ist denn das?«
    Der Alte zog die Augenbraue hoch. »Es gibt nur diesen einen.«
    Will Sinclair erschauerte, denn der empörende Gedanke, der sich in ihm regte, widerstrebte ihm zutiefst. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als der Sache nachzugehen, komme, was wolle, so abwegig oder unglaublich es ihm auch erscheinen mochte. Er warf einen Seitenblick auf Tam und Mungo, dann bedeutete er ihnen mit einer Kopfbewegung, sich ein Stück zurückzuziehen. Während sie mit verwundertem Gesichtsausdruck gehorchten, streckte er dem Alten seine rechte Hand entgegen, und dieser erwiderte seinen Griff selbstbewusst und überraschend kraftvoll. Dieses greise Lumpenbündel war ein Mitglied der Bruderschaft von Sion. Will hielt die Hand des Mannes fest und lächelte kopfschüttelnd.
    »Seid gegrüßt, Bruder«, sagte er schließlich. »Ich hätte nie damit gerechnet, ausgerechnet hier einem meiner Brüder zu begegnen … Ich hoffe nur, dass Ihr nicht unsere Bruderschaft gemeint habt, als Ihr von weißen Gräbern spracht.«
    »Einem dieser Brüder«, antwortete ihm sein Gegenüber ironisch. »Und nein, ich meinte nicht uns, sondern nur den Tempel, der ja etwas ganz anderes ist. Ein Bauwerk zum Ruhme Gottes, das nicht nur seine eigenen Wurzeln vergessen hat, sondern in seinem täglichen Krämertreiben auch Gott selbst verleugnet. Der Tempel wurde in unziemlicher Hast erbaut, um weltlichen Reichtum und weltliche Macht zu erlangen. Kein Wunder, dass seine Mitglieder genauso korrupt sind wie die Welt des Handels, in der sie agieren. Doch Ihr habt mir immer noch nicht gesagt, was den Tempel auf unsere Insel führt.«
    »Ich werde es Euch sagen, doch Ihr müsst mir Euren Namen verraten

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