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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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sprach nicht weiter, aber Sonja konnte sich den Rest vorstellen. Noch in der Erinnerung überlief es sie kalt.
    »Du wirst eine Waffe brauchen«, sagte Elri, als sie einigeZeit später zurückkehrte und Lorin einen Beutel voller Pilze überreichte. »Nützt natürlich nicht viel gegen einen Wurzler oder die Erdgnome mit ihren Pfeilen. Aber trotzdem ... Kannst du mit einem Messer umgehen?«
    »Nur zum Brotschneiden.«
    Elri lachte. »Das wird nicht reichen. Ein Messer braucht man immer – wenn nicht zum Kämpfen, dann doch zum Zerschneiden von Ranken oder Seilen oder zum Abhäuten von erlegten Tieren oder –«
    »Abhäuten?« Sonja wurde ganz weiß um die Nase. »So etwas kann ich nicht!«
    »War ja nur ein Beispiel«, sagte Elri. »Mal sehen – wenn wir Glück haben, geben die Tesca dir ein Messer. Bis dahin bleibst du besser in unserer Nähe.«
    »Das hatte ich sowieso vor.«
    »Wie sieht es eigentlich in deiner Welt aus?«, fragte Lorin und stellte Sonja damit vor das Problem, Autos, Schulen, Flugzeuge, Computer, Handys und Supermärkte zu erklären. Sie verhedderte sich in einem Wirrwarr unausgegorener Beschreibungen und Erklärungen und vermittelte den Geschwistern am Schluss eigentlich nur das Gefühl, dass es »dort« unvorstellbar chaotisch und gefährlich zuging und ein einfaches Land wie Parva mit seinen unzähligen magischen und nichtmagischen Bewohnern und Gefahren deutlich vorzuziehen war.
    Sie erzählten ihr, dass Parva zwischen zwei Nebelmeeren lag: dem Versunkenen Land im Westen und dem Weißmeer im Osten. Im Norden und Süden gab es noch andere Länder, aber darüber wussten sie nichts. Ihr Leben spielte sich zwischen den Weidegründen der Birjaks an der Westküste und dem Winterlager in den Nordbergen ab.
    Sonja erinnerte sich an etwas, das Elri ihr ganz zu Beginnerzählt hatte. »Du hattest gesagt, das Nebelmeer wäre eine Krankheit. Meintest du damit beide Meere?«
    Elri nickte und schien sich zu freuen, dass Sonja diese Bemerkung nicht vergessen hatte. »So erzählen es die Alten. Die Meere sind nicht natürlich, aber wie sie entstanden sind, weiß niemand. Es ist einfach zu lange her.«
    »Und kann man das nicht irgendwie heilen? Wenn es doch Magie gibt –«
    Lorin schüttelte den Kopf. »Die Magie kommt von Aruna selbst. Und wenn ihre Macht nicht ausreicht, um sich zu heilen, hat auch keins ihrer Geschöpfe genug Macht. Wir – also die Stämme an der Ostküste, nicht wir hier im Westen – können nur versuchen, die Dämonen in die Meere zurückzutreiben, wenn sie herauskommen.«
    »Es gibt keine Dämonen hier im Westmeer?«
    »Zumindest keine, die herauskommen. Was unter dem Nebel ist, wissen wir nicht.« Er warf seiner Schwester einen merkwürdig herausfordernden Blick zu, aber sie sagte nichts.
    Sie ritten den ganzen Tag durch den Wald, bis sie an einen breiten, nicht sehr tiefen, aber reißenden Fluß kamen. Dort wandten sie sich nach Süden und ritten am Wasser entlang, bis sie zu einer Furt kamen.
    »So«, sagte Elri, während sie ihre Tiere ins Wasser trieben. »Hier beginnt jetzt das Gebiet der Tesca – der Wolfswald. Wenn wir die Furt überquert haben, müssen wir warten, bis sie –«
    »Moment mal!«, sagte Sonja schrill, und Nachtfrost, der ihren plötzlichen Stimmungswechsel spürte, blieb jäh stehen. »Sagtest du gerade ›Wolfswald‹?«
    »Ja«, sagte Elri und hielt ihr Sirinkim ebenfalls an.
    »Wieso?«
    »Du meinst, es gibt hier Wölfe?«
    »Das will ich hoffen«, antwortete Elri fröhlich. »Schließlich sind wir gerade zu ihnen unterwegs.«
    »Was?«
    »Mach ihr doch keine Angst!«, sagte Lorin. »Was Elri meint, Sonja, ist Folgendes: Wir haben es dir nicht sofort gesagt, weil wir nicht wussten, ob du dann überhaupt herkommen würdest. Aber inzwischen glauben wir, dass wir dir vertrauen können. Die Tesca sind Wolfsmenschen. Gestaltwandler.«
    Werwölfe. Sonja erstarrte. Jede einzelne von Corinna ersonnene Geschichte brach mit einem Schlag über sie herein: reißende Bestien, die tagsüber wie harmlose Menschen aussahen, aber im Mondlicht töteten, riesige Monster, die um die Häuser der Menschen schlichen und heulten, Kinderräuber und Menschenfresser. Philipp hatte gesagt, es gebe sie nicht, und hatte Corinna sogar eine geklebt, als sie Sonja mit einer neuen Geschichte zum Heulen gebracht hatte – aber Philipp war eine ganze Welt weit weg, und das hier war nicht die Erde.
    Und selbst wenn Elri und Lorin so leichthin davon sprachen, sie zu besuchen – vor Kurzem

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