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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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gleichzeitig die Spitze eines Schirms in den Rippen spürte. »Ich habe nichts zu verbergen!«
    Der Sergeant drehte sich um und suchte nach einer bestimmten Person an den Schreibtischen. »Margie! Lügendetektor!«
    Eine der Daktylotypistinnen blickte von ihrer Maschine auf, schielte zu dem Angeklagten, ohne die Hände von den Tasten zu nehmen, und sagte: »Er lügt.«
    »Ach Margie, bitte!«, rief Joey mit Unschuldsmiene. »Wie können Sie das von dort drüben aus beurteilen? Sie sollten einem Mann in die Augen schauen, ehe Sie ihn einen Lügner nennen!«
    Margie kam an den Schalter und schaute Joey in die Augen. Sascha erkannte sie jetzt wieder: Es war das gelangweilt aussehende Mädchen, das bei seinem Inquisitionsquotiententest die Aufsicht geführt hatte. Er konnte sehen, wie die Magie ihren Kopf wie Rauchschwaden umschwebte. Sascha hätte nie gedacht, dass Magie auch Langeweile ausstrahlen konnte, aber es gab keinen Zweifel: Das hier war gelangweilte Magie.
    »Ja«, stellte Margie fest. »Du lügst, Joey.«
    »Margie, ich dachte, wir seien Freunde. Wie können Sie mir das antun?«
    Aber Margie gähnte nur und kehrte zurück an ihre Schreibmaschine.
    Sascha schüttelte immer noch staunend den Kopf, als ein uniformierter Inquisitor, ein baumlanger Kerl, vor ihn hintrat. Der Name auf der Dienstmarke lautete Mahoney.
    »Und warum bist du an diesem schönen Montagmorgen nicht in der Schule?«, fragte ihn Mahoney.
    »Ich muss nicht in der Schule sein«, verteidigte sich Sascha. »Ich arbeite hier.«
    »Seit wann stellen wir Kinder ein?«
    »Ich bin kein Kind mehr! Ich bin dreizehn!«
    »Oh, entschuldige vielmals«, sagte Mahoney grinsend. »Und bei wem sollst du bitte schön deine Ausbildung beginnen?«
    »Bei Inquisitor Wolf.«
    Mahoneys Grinsen verschwand augenblicklich. »Dann bist du der Junge, der Magie erkennen kann.«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte Sascha verlegen.
    »Und wie heißt du denn, wenn die Frage erlaubt ist?«
    »K-Kessler«, stotterte Sascha.
    »K-Kessler.« Mahoney lächelte erneut, aber diesmal nicht gemütlich. »Was für ein Name ist das?«
    »Äh …, russisch?«
    »Das klingt in meinen Ohren aber nicht russisch.«
    Sascha flüsterte jetzt. »Jüdisch?«
    »Aha«, rief Mahoney in die Runde der Inquisitoren, die sich an der Theke aufhielten. »Schaut mal her, das ist Wolfs neuer Lehrling. Ein komischer Vogel. Und das ist noch nicht alles. Wie es aussieht, gehört er zum Erwählten Volk!«
    Einige kicherten. Kalte, unfreundliche Augen richteten sich von allen Seiten auf Sascha. Sogar die Kriminellen schienen ihn mit abschätzenden Blicken anzusehen.
    Im Nachhinein dachte sich Sascha alles Mögliche aus, was er Mahoney hätte erwidern können. Etwa dass er Amerikaner sei wie alle anderen hier auch. Oder dass Mahoney doch nach Irland zurückkehren und dort Kartoffeln essen solle, wenn er denn schlau genug wäre, welche zu finden. Oder …, na ja, besonders originell war das alles nicht. Aber besser als das, was er stattdessen tat, nämlich stumm bleiben.
    »Na dann lauf«, sagte Mahoney, als er sah, dass Sascha ihm nichts entgegenzusetzen hatte. »Und keine Sorge. Du und Wolf, ihr passt gut zusammen. Er ist die unchristlichste Seele, die jemals die Halle der New Yorker Inquisition betreten hat.«
    Inquisitor Wolfs Büro lag am Ende der Halle. Es war ein kleines staubiges Zimmer in Schuhkartonform mit einem Fenster, das auf eine Backsteinmauer hinausging.
    Den größten Teil der Mauer nahm eine gemalte Werbung für Maziks Korsetts und Miederwaren ein. »Das ist keine Magie – das ist Mazik!«
    An den Wänden des Büros stapelten sich vom Fußboden bis zur Decke Akten aller Art. Jemand hatte versucht, Ordnung in dieses Chaos zu bringen, und die Akten in Stellordner gestopft, aber die meisten Ordner waren zum Bersten voll. Darin drängten sich geknickte Verbrecherfotos neben verschmierten Zeitungsausschnitten, undefinierbare, an Karteikarten geheftete Objekte neben handgeschriebenen Notizen auf allen möglichen Zetteln, ob Fahrkarten oder Wäschereiquittungen. Inmitten dieses Gebirges aus Papier stand ein so sauber aufgeräumter Schreibtisch, dass man Mühe hatte sich vorzustellen, wie sein Besitzer in diesem Chaos arbeiten konnte. An dem Schreibtisch saß ein junger Schwarzer in einem gestreiften blauen Anzug. Er hatte eine modische malvenfarbige Seidenkrawatte an und trug eine arrogante Miene zur Schau.
    Zuerst hielt Sascha ihn irrtümlich für einen Erwachsenen, aber bei näherem Hinsehen

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