Der Seelenhändler
Donnerstag, würde er in der Schenke „Zum Bären“ auf den Boten des Ordens treffen, den sie aus Venedig zurückerwarteten. Er kannte ihn noch nicht, er wusste nur, dass es sich um einen der Fuhrleute des Transportes handelte, die der Schwarze nach dem Überfall in seinen Dienst gezwungen hatte. Auch Matthis würde zum vereinbarten Treffpunkt kommen. Zusammen sollten sie den Fuhrmann am darauf folgenden Freitag zum Plateau geleiten und dann …
Doch das war nicht mehr seine Sache. Zu diesem Zeitpunkt wäre seine Mission auf Gallenstein endgültig erfüllt. Nicht eine einzige Stunde gedachte er danach noch auf die Burg zurückzukehren.
Aber bis es so weit war, musste er durchhalten, ohne in Kopflosigkeit zu verfallen. Denn Angst war ein schlechter Ratgeber und verleitete dazu, Fehler zu machen. Und davon hatte es bereits genug gegeben. Die verfluchte Gürteltasche! Der verdammte Stiefel! Wie würden Abt und Prior sich wohl verhalten, wenn sie von all dem erfuhren?, fragte er sich. Ein Schauer jagte über seinen Rücken, doch rasch verdrängte er den Gedanken. Ein paar Tage noch, dann wäre alles vorbei. Dann würde er für niemanden mehr erreichbar sein – nicht einmal für den Orden, da war er sich sicher.
Bei dem Gedanken, dass ihn ab diesem Zeitpunkt ein geruhsames und vor allem gesichertes Leben erwartete, lächelte er. In den vergangenen Jahren hatte ihm seine Tätigkeit für den Orden so viel eingebracht, dass er davon bis ans Ende seiner Tage sorglos würde leben können. Oh ja, in dieser Hinsicht verdankte er der „Bruderschaft“ viel – sehr viel sogar. Und bei allem Unbehagen, das er hinsichtlich des Gebieters und des Priors empfand, eines musste er ihnen lassen: Dass sie ihn, der für sie an vorderster Front Kopf und Kragen riskierte, stets fürstlich für seine Spitzeldienste entlohnt hatten.
Ein plötzliches Gähnen überfiel ihn und machte ihm bewusst, dass noch ein erhebliches Quantum Müdigkeit in seinen Knochen steckte.
Er beschloss, es noch einmal mit Schlafen zu versuchen, und warf sich erneut aufs Lager. Den Fensterladen ließ er offen stehen. Irgendwann würden die wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne die Bettstatt, auf der er ruhte, erreicht haben und ihn aufwecken.
Schon in aller Frühe war Wolf nach Altenmarkt aufgebrochen. Er wollte sich bei Hartmut Peuger, dem Schmied, nach dem Schwert erkundigen, das er bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Als er um die siebte Stunde nach Sankt Gallen zurückritt, war es bereits sehr heiß, und da er genügend Zeit hatte, beschloss er, die Gunst des Augenblicks zu nutzen und zur Enns hin abzubiegen, um sich eine kleine Erfrischung zu gönnen. Ganz in der Nähe einer Schleife, die der Fluss hier beschrieb, befand sich eine beschauliche, nicht einsehbare Stelle am Ufer, an der man ungestört in die Fluten eintauchen konnte. Dort lag auch ein Felsen, der weit ins Wasser hineinragte und ständig von unzähligen Libellen umschwirrt wurde.
Wolf war bereits gestern hier gewesen. Allerdings nicht, um ein Bad zu nehmen, sondern um das Ufer zu inspizieren. Er hatte das unbestimmte Gefühl, an dieser Stelle vielleicht weitere Hinweise auf den Mann, nach dem sie suchten, finden zu können. Schließlich ließen die bisher gesicherten Spuren – die tote Libelle und der feine Sand, der sich sowohl im Schaft des Stiefels als auch in der Gürteltasche befunden hatte – darauf schließen, dass er sich hin und wieder hier aufgehalten haben musste.
Bei der besagten Flussbiegung angekommen, sprang er aus dem Sattel und band den Rappen an einem Strauch fest. Dann drang er auf einem verwilderten Pfad in das dichte Gewirr der Uferböschung ein.
Soeben stand er im Begriff, das Dickicht zu verlassen, um auf die kleine Sandbank hinauszutreten, als er unwillkürlich innehielt. Vor sich nahm er die frischen Spuren nackter Füße wahr. Die Fährte führte ein Stück weit eng am Rand des Dickichts entlang, dann querte sie den Sandstreifen, um dort, wo die Felszunge endete, im Wasser zu verschwinden. Nicht weit entfernt von dem Gebüsch, hinter dem er kauerte, konnte er auch ein Bündel Kleider und ein Paar einsamer Stiefel ausmachen.
Plötzlich lenkte ein Geräusch seine Aufmerksamkeit in Richtung des Flusses. Gleich darauf sah er die Person, der die Fährte gehören musste, aus dem Schatten des in die Enns hineinragenden Felsens hervortreten und prustend und panschend aus dem Wasser waten.
Wolf erkannte den Mann und lächelte.
Dass der langjährige Bedienstete des
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