Der Seelenhändler
Katharina, und ein verächtliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. Die Meinung, die diese Herren vertraten, focht sie nicht an. Sie verfügte über ein hohes Maß an Ehrgeiz sowie genug gesundes Selbstbewusstsein, um beharrlich ihre Ziele zu verfolgen. Und über eine gehörige Portion von jener Dickschädeligkeit, die man üblicherweise nur erfolgreichen Männern zuschreibt. Was sie sich in den Kopf setzte, pflegte sie auch auszuführen.
Deshalb hatte sie sich auch auf den Weg nach Salerno gemacht. Denn an der dortigen Universität gestattete man Frauen das Studium der Medizin, und einige ihrer Geschlechtsgenossinnen hatten es in den vergangenen zweihundert Jahren aufgrund ihrer Ausbildung, die sie dort absolvierten, weit gebracht. So etwa die Ärztin Trota, die sogar Mitglied der medizinischen Fakultät geworden war.
Katharina war dankbar, dass sie sich in Salzburg den Venezianern hatte anschließen dürfen. Ermöglicht hatte ihr dies wiederum ihr Vater. Von Michael Prenner, einem reichen Bürger Wiener Neustadts, der die Feste Lanzenkirchen gekauft hatte, war er von der geplanten Zusammenarbeit zwischen den steyrischen und venezianischen Handelshäusern informiert worden. Prenner hatte ihren Vater mit Jakob von Schmelzer, einem reichen Steyrer Handelsherrn, bekannt gemacht und diesen bewogen, die nötigen Kontakte nach Salerno zu knüpfen, um Katharina die Immatrikulation an der dortigen Universität zu erleichtern. Schmelzer hatte auch höchstpersönlich dafür gesorgt, dass sie ab Salzburg in der Gesellschaft der venezianischen Kaufherren zunächst nach Sankt Gallen und von dort nach Venedig reisen konnte. Von Venedig würde es dann mit einer Handelskarawane nach Salerno weitergehen.
So sah es zumindest ihr Plan vor.
Doch Pläne konnten scheitern. Die Tatsache, dass sie hier in der Höhle festsaß, war ein eindeutiger Beweis dafür.
Scheitern?
Nein! Nicht ihr Plan. Sie würde nach Salerno kommen.
„Verwalte dein Erbe, Katharina. Und kämpfe“, flüsterte sie und sah zum Rand der Höhle empor.
Ein dünnes Lichtbündel zwängte sich durch das Wurzelgewirr. Zuversichtlich begrüßte sie der neue Tag.
6
Geduldig wartete der Jäger. Ohne auch nur eine Spur von Erregung zu zeigen. Schon weit bevor der Morgen graute, hatte er sich in das dichte Laubwerk der Eiche, hoch über dem Boden, zurückgezogen.
Er blickte auf die Lichtung. Zögernd nur flüchtete der Nebel vor den ersten Strahlen der Sonne. Geduldig wartete er weiter.
Plötzlich schärfte ein Knacken im Unterholz, nahe der Straße, seine Sinne.
Dann sah er ihn.
Sofort wusste der Jäger, dass sich das Warten gelohnt hatte. Und auch, dass die Stelle, die er dafür gewählt hatte, goldrichtig war. Seine Position hätte nicht günstiger sein können.
Langsam trat ein mächtiger Rothirsch aus dem Dunkel der Bäume heraus. Vorsichtig die Witterung aufnehmend, verharrte er kurz am Rand des Unterholzes. Er kreuzte die schmale Straße, die durch den Wald führte, und betrat die Lichtung – ein wahrer König des Waldes.
Ein solch edles Stück Wild zu jagen war eigentlich ein Privileg, das nur dem Burggrafen, Friedrich von Saurau, zustand. Doch dem hatte der Jäger schon vor Längerem einen größeren Gefallen erwiesen. Er hatte ihn nämlich davor bewahrt, von seiner Gattin Ottilie von Saurau mit einer seiner Gespielinnen entdeckt zu werden, was für den Saurauer die Hölle auf Erden bedeutet hätte. Daraufhin hatte ihm der Graf dankbarerweise für den Rest des Jahres die Pirsch auf das Hochwild erlaubt.
Der „König“ kam näher. Gleich war es so weit. Der Herrscher des Waldes würde abtreten und seine Krone dem Sieger überlassen müssen; sechzehn Enden zählte sein Geweih. Der Rothirsch hob den Kopf und sah durch den dünner werdenden morgendlichen Dunst zu ihm herüber. Aber er nahm ihn nicht wahr. Noch hatte sich keine Brise erhoben, die den Geruch des Waidmanns in seine Nüstern hätte wehen können. Das Tier neigte den Kopf und begann ruhig zu äsen.
Ganz langsam hob der Jäger die gespannte Armbrust, um sie an seiner Schulter in Position zu bringen.
Mit einem Mal hielt der Hirsch mit dem Äsen inne und hob das prächtige Haupt.
Jetzt! Besser konnte er gar nicht mehr stehen. Der Jäger zielte und zog den Hebel ruhig durch.
Ein klackendes Geräusch; leise sirrend verließ der Tod die Sehne, flog durch den Dunst und bohrte sich nur einen Lidschlag später in das Blatt des Roten.
Der Hirsch warf den Kopf nach hinten. Ein leises Röcheln,
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