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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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glauben?«
    »Hast du dich nie gefragt, warum der Vatikan irgendwann beschlossen
hat, den Orden der Pönitenziare aufzulösen? Es muss schon etwas sehr
Schwerwiegendes vorgefallen sein, das den Papst zu dieser Entscheidung bewogen
hat. Etwas, das nie an die Öffentlichkeit gelangt ist. Eine Art … Kollateralschaden
ihrer Arbeit.«
    Sandra sagte nichts darauf, hoffte aber, dass Schalber weiterreden
würde.
    »Das Archiv der Paenitentiaria Apostolica ist ein Ort, an dem das Böse schon seit jeher erforscht und analysiert wird.
Aber es gibt eine Regel, die besagt, dass jeder Pönitenziar nur eingeschränkt
Zugang dazu erhält. Um das Geheimnis zu wahren, aber auch, damit niemand mit zu
viel Bösartigkeit in Berührung kommt.« Wohl wissend, dass Sandra jetzt hellhörig
geworden war, fuhr Schalber fort: »Die Pönitenziare haben sich eingebildet,
dass sie nur so viele Sünden wie möglich zusammentragen müssen, um sämtliche
Ausprägungen des Bösen in der Geschichte der Menschheit verstehen zu können.
Doch sosehr sie sich auch bemüht haben, es zu klassifizieren und in bestimmte
Kategorien zu zwängen, hat es das Böse immer wieder geschafft, jede ihrer
Schubladen zu sprengen, ja, sich jeder Vorhersehbarkeit zu entziehen. Es geht
stets mit gewissen Auffälligkeiten einher, mit kleinen Fehlern, die sich je
nachdem noch korrigieren lassen. Deshalb haben sich die Pönitenziare von
Forschern und Archivaren in Ermittler verwandelt und sich direkt in die Strafverfolgung
eingemischt. Die wichtigste Lektion, die die Pönitenziare aus dem Archiv
gelernt haben, ist die, dass Böses Böses gebiert. Manchmal ist es regelrecht
ansteckend und korrumpiert ausnahmslos jeden. Was die Pönitenziare jedoch nicht
wahrhaben wollten, ist, dass sie selbst genauso gefährdet sind.«
    »Willst du damit sagen, dass das Böse sie mit der Zeit verführt
hat?«
    Schalber nickte. »Man kann nicht auf engstem Raum mit einer so
dunklen Macht zusammenleben, ohne davon beeinflusst zu werden. Wenn es jedem
einzelnen Pönitenziar verwehrt war, zu viel über das Archiv zu wissen, dann aus
gutem Grund. Doch leider wurde diese Regel im Lauf der Jahrhunderte immer mehr
aufgeweicht.« Schalber schlug einen versöhnlicheren Ton an. »Denk doch mal
nach, Sandra: Du bist Polizistin. Kannst du das, was du am Tatort siehst und
dokumentierst, aus deinem Privatleben raushalten? Oder nimmst auch du etwas von
dem Schmerz, dem Leid, dem Bösen mit nach Hause?«
    Ihr fiel die grauenhafte smaragdgrüne Krawatte von David wieder ein.
In diesem Moment wurde ihr klar, dass Schalber möglicherweise recht hatte.
    »Wie viele Kollegen haben genau deswegen aufgegeben? Wie viele sind
zur anderen Seite übergelaufen? Beamte mit einer vorbildlichen Karriere lassen
sich plötzlich von einem Drogenboss kaufen. Polizisten, denen du dein Leben
anvertrauen würdest, vergessen sich und prügeln auf einen Verdächtigen ein –
angeblich, um ihn zum Reden zu bringen. Machtmissbrauch, Korruption: Es gibt
Menschen, die sind eingeknickt, einfach nicht dagegen angekommen. Sosehr sie
sich auch bemüht haben, das Unrecht wiedergutzumachen, das Böse hat immer
gesiegt.«
    »Das sind doch Ausnahmen!«
    »Ich weiß, ich bin schließlich auch Polizist. Aber das heißt nicht,
dass es unmöglich ist.«
    »Und das ist den Pönitenziaren passiert?«
    »Padre Devok wollte das nicht wahrhaben. Er hat heimlich weitere
Priester rekrutiert. Er glaubte alles unter Kontrolle zu haben, musste seine
Naivität jedoch mit dem Leben bezahlen.«
    »Das heißt, du weißt nicht genau, wer David umgebracht hat. Unter
Umständen war es sogar der Priester mit der Narbe an der Schläfe.«
    »Ich könnte jetzt einfach Ja sagen, aber ehrlich gesagt weiß ich es
wirklich nicht.«
    Sandra musterte ihn, versuchte zu ergründen, ob er die Wahrheit
sagte. Dann schüttelte sie amüsiert den Kopf. »Wie dumm von mir! Jetzt wäre ich
fast ein zweites Mal auf dich reingefallen.«
    »Glaubst du mir nicht?«
    Sie sah ihn hasserfüllt an. »Aus meiner Sicht kannst auch du meinen
Mann umgebracht haben.« Sie betonte die Worte ›meinen Mann‹, um ihm mitzuteilen,
wie unbedeutend ihre gemeinsame Nacht gewesen war.
    »Was kann ich tun, um dich vom Gegenteil zu überzeugen? Soll ich dir
helfen, den Mörder zu finden?«
    »Ich habe schon genug Abmachungen getroffen. Außerdem gibt es eine
viel einfachere Methode.«
    »Dann verrate sie mir!«
    »Begleite mich! Es gibt da einen Commissario, dem ich vertraue. Er
heißt Camusso. Wir

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