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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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wurde ganz leise. Er beugte sich zu
ihr vor, als wolle er ihr etwas Wichtiges mitteilen. »1897, kurz nach ihrer
Erbauung, gab es einen Brand. Nachdem die Flammen besiegt waren, entdeckten
einige Gläubige ein menschliches Antlitz an der Altarwand, das aus Ruß bestand.
Sofort verbreitete sich die Nachricht, dass dieses Antlitz einer Seele im Fegefeuer
gehöre. Dieser unerklärliche Vorfall weckte die Phantasie Padre Vittorio Jouets
und brachte ihn dazu, nach weiteren Spuren von Verstorbenen zu suchen, die ins
Fegefeuer verbannt waren und vergeblich versuchten, ins Paradies zu kommen.
Seine Sammlung befindet sich in diesem Museum. Sie sind Spurensicherungstechnikerin,
sie sollten dort unbedingt hingehen! Und wissen Sie, was dieser Padre dabei
entdeckt hat?«
    »Bitte verraten Sie es mir.«
    »Wenn eine Seele versucht, Kontakt zu uns aufzunehmen, tut sie das
nicht über Laute, sondern über Licht.«
    Sandra musste an die Fotos denken, die David ihr in der Leica
hinterlassen hatte, und bekam eine Gänsehaut.
    Da sie nichts erwiderte, entschuldigte sich Zini. »Bitte verzeihen
Sie, ich wollte Ihnen keine Angst einjagen.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken. Sie haben recht, ich muss dorthin
gehen.«
    Auf einmal wurde der Polizist sehr ernst. »Nun, dann sollten Sie
sich beeilen. Das Museum hat nur eine Stunde am Tag geöffnet, direkt nach der
Abendandacht.«
    Zinis Tonfall entnahm Sandra, dass das mehr war als nur ein guter
Rat.
    Das Wasser sprudelte aus den Gullis, als könnte der Bauch
der Stadt es nicht mehr halten. Drei Tage Regen hatten die Kanalisation auf
eine harte Probe gestellt. Aber damit war es vorerst vorbei.
    Jetzt war Wind aufgezogen.
    Er war unerwartet aufgefrischt und fegte nun durch die Straßen der
Altstadt. Laut und ungestüm hatte er Rom und seine Gassen und Plätze erobert.
    Sandra schob sich durch eine unsichtbare Masse, so als kreuzte sie
den Weg eines Geisterheeres. Der Wind wollte sie zum Ausweichen zwingen, aber
sie setzte ihren Weg unbeirrt fort. Bis sie merkte, dass ihr Handy in der Handtasche
klingelte, die sie fest an sich gepresst hielt. Hektisch suchte sie danach und
überlegte, was sie Schalber erzählen sollte. Bestimmt war er es, der anrief. Es
war nicht einfach gewesen, ihn zu überreden, in der Wohnung zu bleiben. Sie
ahnte schon, was sie erwartete, wenn sie nicht gleich zu ihm zurückkehrte und
ihm erzählte, was ihr Gespräch mit Zini ergeben hatte. Doch sie hatte bereits
eine Ausrede parat.
    Endlich fand sie das Handy in ihrer Handtasche und warf einen Blick
auf das Display. Sie hatte sich getäuscht, es war De Michelis.
    »Vega, was ist denn das für ein Lärm?«
    »Warte kurz!« Sandra suchte in einer Toreinfahrt Schutz, um das
Telefonat fortsetzen zu können. »Hörst du mich jetzt?«
    »Ja, jetzt ist es besser, danke. Wie geht es dir?«
    »Es gab ein paar interessante Entwicklungen.« Sie erwähnte nicht,
dass man auf sie geschossen hatte. »Im Moment kann ich noch nicht viel sagen,
aber ich bin dabei, die einzelnen Mosaiksteinchen zusammenzusetzen. David war
hier in Rom einer Riesensache auf der Spur.«
    »Jetzt spann mich nicht so auf die Folter! Wann kommst du wieder
nach Mailand?«
    »Ich brauche noch ein paar Tage, vielleicht sogar länger.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass du mehr Urlaub bekommst.«
    »Danke, Ispettore, du bist ein echter Freund! Und, hast du
Neuigkeiten für mich?«
    »Thomas Schalber.«
    »Du hast dich über ihn informiert.«
    »Klar. Ich habe mit einem alten Bekannten gesprochen, der bei
Interpol war, aber inzwischen in Pension ist. Sehr gesprächig sind die nicht
gerade, wenn es um Kollegen geht. Ich konnte ihn schlecht einfach so ausfragen,
also musste ich ihn zum Mittagessen einladen und ihm alles erklären. Wie auch
immer, es war eine langwierige Angelegenheit.«
    De Michelis hatte die schlechte Angewohnheit, sich in Details zu
verlieren. Um die Sache abzukürzen, fragte Sandra: »Was hast du
herausgefunden?«
    »Mein Freund kennt ihn nicht persönlich, weiß aber aus seiner Zeit
bei Interpol, dass Schalber ein harter Hund ist. Er hat nicht viele Freunde und
erledigt seine Arbeit am liebsten im Alleingang, was den höheren Etagen
missfällt. Andererseits bringt er Resultate. Er ist stur, schwierig im Umgang,
aber auf seine Art integer. Er lässt sich von niemandem einschüchtern, vor zwei
Jahren hat er intern wegen Verdacht auf Korruption ermittelt. Ich muss nicht
extra erwähnen, dass ihn das nicht sehr beliebt gemacht hat. Er hat

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