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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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auffliegen lassen, die sich von Drogenhändlern schmieren ließen. Ein Ausbund an
Rechtschaffenheit!«
    Die Ironie in De Michelis’ Stimme ließ sie aufhorchen. Wieso
beschäftigte sich so ein Bulle nun mit den Pönitenziaren? Schalbers Werdegang ließ
eher darauf schließen, dass er gegen offensichtliche Ungerechtigkeit vorging.
Wieso ermittelte so jemand gegen Priester, die im Grunde ein positives Ziel
verfolgten, und das im Sinne der Gerechtigkeit?
    »Und was ist dein Eindruck von Schalber, Ispettore?«
    »Nach allem, was ich gehört habe, ist er eine sture Nevensäge. Aber
eine, der man vertrauen kann.«
    De Michelis’ Worte beruhigten Sandra. »Danke, gut zu wissen!«
    »Wenn du sonst noch etwas brauchst – ruf einfach an!«
    Sie beendete das Gespräch und kämpfte sich mit neuer Kraft vorwärts.
    Pietro Zini hatte sie mit einer mysteriösen Botschaft verabschiedet:
Der Besuch des Museums der Seelen im Fegefeuer war
unaufschiebbar. Sandra wusste nicht, was sie dort erwartete, doch sie war sich
sicher, dass sie den blinden Polizisten richtig verstanden hatte.
    Dort war irgendetwas, und es war wichtig, dass sie es sah. Und zwar
umgehend.
    Wenig später stand sie vor der Kirche Sacro Cuore del
Suffragio. Der neugotische Stil erinnerte sie auf Anhieb an den Mailänder Dom,
auch wenn diese Kirche erst Ende des achtzehnten Jahrhunderts erbaut worden
war. Im Inneren wurde gerade der Lichtritus mit Tauferneuerung gefeiert.
Allerdings war der Vespergottesdienst nicht sehr gut besucht. Der Wind rüttelte
an den Portalen, drang durch sämtliche Ritzen und pfiff durchs Kirchenschiff.
    Sandra entdeckte das Schild zum Museum der Seelen
im Fegefeuer und folgte ihm.
    Bald stellte sie fest, dass es sich dabei um eine Sammlung von
ungefähr zehn Reliquien handelte, die im Durchgang zur Sakristei in einer
Vitrine ausgestellt waren. Das war alles. Es waren ausnahmslos Gegenstände mit
Brandspuren: fünf Fingerabdrücke eines angeblich Verstorbenen in einem alten
Gebetbuch. Spuren auf einer Kissenhülle, die die gequälte Seele einer toten
Nonne 1864 hinterlassen hatte. Oder die auf Tunika und Hemd einer Äbtin, der
1731 der Geist eines Priesters erschienen war.
    Als Sandra plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte, machte ihr
das keine Angst. Jetzt verstand sie, warum Pietro Zini sie hergeschickt hatte.
Sie drehte sich um und sah ihn vor sich.
    »Warum suchst du nach mir?«, fragte der Mann mit der Narbe an der
Schläfe.
    »Ich bin Polizistin«, erwiderte sie sofort.
    »Das ist nicht der einzige Grund. Es gibt keine offiziellen
Ermittlungen, du handelst auf eigene Faust. Das ist mir bei unserer Begegnung
in der Kirche San Luigi dei Francesi klar geworden. Du wolltest mich gestern
Abend nicht verhaften, sondern erschießen.«
    Sandra sagte nichts darauf, weil er sie durchschaut hatte.
    »Bist du wirklich ein Priester?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte er.
    »Mein Mann hieß David Leoni. Sagt dir der Name irgendwas?«
    Er überlegte. »Nein.«
    »Er war Fotoreporter und ist vor einigen Monaten beim Sturz von
einem Gebäude ums Leben gekommen. Er wurde ermordet.«
    »Und was hat das mit mir zu tun?«
    »Er hat über die Pönitenziare recherchiert und dich an einem Tatort
fotografiert.«
    Als er das Wort »Pönitenziare« hörte, zuckte der Priester zusammen.
»Und deshalb wurde er umgebracht?«
    »Das weiß ich nicht.« Sandra schwieg. »Du hast vorhin mit Zini
telefoniert. Warum wolltest du mich treffen?«
    »Um dich zu bitten, deine Ermittlungen einzustellen.«
    »Das kann ich nicht. Erst muss ich wissen, warum David gestorben
ist, und seinen Mörder finden. Kannst du mir dabei helfen?«
    Der Mann richtete seine traurigen blauen Augen auf die Vitrine, und
zwar auf eine Holztafel, in die ein Kreuz eingebrannt war. »Einverstanden. Aber
nur, wenn du das Foto vernichtest, auf dem ich zu sehen bin, und auch alles
andere, was dein Mann über die Pönitenziare herausgefunden hat.«
    »Das werde ich, sobald ich eine Antwort auf meine Fragen habe.«
    »Weiß noch jemand von uns?«
    »Niemand«, log sie. Sie hatte nicht den Mut, ihm von Schalber und
Interpol zu erzählen. Denn wenn er erfuhr, dass seine Anonymität in Gefahr war,
würde der Pönitenziar vielleicht für immer verschwinden.
    »Woher wusstest du, dass ich im Fall Figaro recherchiere?«
    »Die Polizei weiß Bescheid, sie hat euer Gespräch belauscht.«
Hoffentlich gab sich der Mann mit dieser vagen Antwort zufrieden. »Aber keine
Sorge, sie weiß nicht, mit wem

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