Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
mich weinen, weil das, was ich mir gewünscht habe, doch alles eingetreten ist. Gut, ich wünschte mir, ginge es denn, noch ein Kind ...»
«Und noch eines, und noch eines ...» Er hatte den Arm um ihre Taille gelegt.
«Aber ansonsten ... so wie deine Freundin Isabelle da ... so ein Typ bin ich nicht. Ich wollte ein paar Sachen richtig machen. Ich glaube, das ist mir gelungen. Ich wollte einen Mann, den ich liebe und der mich liebt. Ich wollte Philip. Dich.»
«Ein Häuschen mit Garten.»
«Genau. Freunde um unseren Tisch. Anderen Menschen helfen, wenn es geht. Alles erfüllt. Du gehst an der Seite einer zufriedenen Frau!»
«Gerade deshalb verstehe ich nicht, wie du sagen kannst, es würde dir nichts ausmachen zu sterben. So ein Unsinn. Man liebt doch das Leben.»
«Ja. Man liebt das Leben. Aber Angst haben darf man nicht.»
Jon wurde es unbehaglich zumute, als er daran zurückdachte. Doch gleichzeitig hatte diese Erinnerung etwas Tröstliches. Er warf ein paar Kiesel ins Wasser. Einer landete auf dem Blatt einer Seerose, die anderen gingen mit einem kurzen, platschenden Knall unter und hinterließen Ringe im Wasser. Jon sprang hoch und machte sich auf den Weg zurück. Er hatte einen Sohn, den er sehr liebte und der ihn jetzt mehr denn je brauchte. Er hatte einen Vater, mit dem er reden wollte. Und er hatte Patienten, die auf ihren Arzt nicht verzichten konnten. Das Leben, das schreckliche, schöne, verwirrende, das Leben, so grausam es klang, es ging weiter. Auch wenn er sich im Moment nicht vorstellen konnte, wie.
Kapitel 24
Man hätte glauben können, die ganze Stadt wäre unterwegs zu einer Beerdigung. Schon am Flughafen von Paris, als Isabelle und Patrizia am Laufband standen und auf ihr Gepäck warteten, fielen ihnen die Schwärme schwarzer Vögel auf. Mit finsteren Mienen, verschanzt hinter Sonnenbrillen, trugen sie schwarze Anzüge, weite, schwarze Kleider, schwarze Hosen mit schwarzen Blazern; lässig hatten sie schwarze Mäntel über ihre Arme geworfen, schwarze Pullover um ihre Schultern geknotet: Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, die sich einem Kult unterworfen hatte, sie waren angeflogen gekommen, weil sie einem Ruf gefolgt waren, sie hatten sich einem Trend untergeordnet, weil jeder von ihnen dazugehören wollte, zur Kaste der Modemenschen.
Isabelle, die einen beige Herrenanzug aus Wolle trug, mit einem schlichten weißen Hemd, guckte Patrizia an, die mit ihren mittlerweile weißblond gefärbten ondulierten Haaren, dem grellroten Lippenstift und im Schalkragenkostüm mit falschem Leopardenbesatz zu High Heels aussah wie eine amerikanische Country-Sängerin auf Europa-Trip. «Haben wir was falsch gemacht?»
Patrizia wuchtete ihre Koffer auf den Gepäckwagen. «Ich muß hier raus», erklärte sie, «sonst kriege ich einen Schreikrampf!»
Ein deutscher Kollege, blond, braungebrannt und seine Umwelt peinigend, weil er niemals die Klappe halten konnte, hatte die beiden entdeckt und drängelte sich durch das Gewusel: «Belle ...», rief er, «Schätzchen, Liebes ...» Er hatte sie erreicht und strahlte sie an, «... grüß dich!» Kurzes Nicken Richtung Patrizia. «Hi!»
«Hi!» antwortete sie knapp und donnerte den Wagen einer Gruppe von aufgeregten japanischen Modejournalistinnen gegen die Beine, die stur stehenblieben, weil ihre feinmotorischen Fähigkeiten nicht besonders ausgeprägt waren. «Pardon!»
Der deutsche Modeschöpfer hauchte Isabelle einen Kuß auf beide Wangen. Isabelle lächelte. Sie mochte ihn. Er hatte ein freches Schandmaul, er hatte Geschmack und Talent, und er hatte Witz. «Wow! So hell angezogen? Alle schwarzen Klamotten in der Reinigung? Oder setzt du einen neuen Trend? Das totale Beige? Eigener Entwurf? Mutig.»
«Dich kann man auch nur in einen Sack stecken und draufschlagen», konterte sie.
«Nützt nichts, ich quatsche weiter! Was machst du denn hier?»
Wenn sich der Grund bis zu ihm nicht herumgesprochen hatte –sie wollte ihn nicht nennen. Isabelle schmunzelte: «Rate.»
«Ideen klauen?»
«Und du?»
«Ich bin nur auf Zwischenstopp hier, ehrlich gesagt, ich tu mir das nicht an ...» Er zeigte zu einem Mitarbeiter, der etwas entfernt an eine Säule gelehnt stand und den gelangweilten Beau gab. «Wir sind auf dem Weg nach Saudi-Arabien.» Dann erzählte er, seine neue Kosmetiklinie sei ein großer internationaler Erfolg, besonders das Damenparfüm laufe «wie nix, damit mache ich mehr Geld als mit meinen Klamotten. Warum machst du so was noch
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