Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
Küche.
«Geschenkter Gaul», meinte Patrizia und griff nach ihrem Glas, «jetzt trinken wir erst mal auf dich, auf Belle Corthen, die heute Paris erobert hat!»
«Danke!»
Die Gläser klangen zart wie Glöckchen, alle lächelten freundlich und tranken. Das Gespräch wurde angeregt fortgesetzt. Isabelle nahm Christins Karte, klopfte mit ihr zweimal auf die Tischkante, stand auf und ging zu ihr hinüber. «Guten Abend!» sagte sie.
Christin erhob sich. Wie groß sie war. Sie machte die Modeschöpferin mit ihren Begleitern bekannt. Die Herren setzten ihre Unterhaltung fort. Isabelle und Christin sahen sich an.
«Ich war da», sagte Christin.
«Ja, ich hab dich gesehen.»
«Es war toll. Ich freue mich riesig für dich.»
«Danke. Und danke für den Champagner. Bist du immer noch
bei der Linda?»
Christin nickte. «Chefredakteurin. Seit einem Jahr.»
«Dann gratuliere ich dir auch.»
Christin sah zu Boden.
«Tja, dann will ich dich nicht länger stören. Schönen Abend noch.» Sie wollte gehen.
«Isabelle?»
Sie drehte sich um.
Christin versuchte zu lächeln. «Hast du morgen zufällig Zeit? Können wir uns auf eine Tasse Kaffee sehen? Reden?»
«Nein.»
«Ich würde so gern ... ach ... da weitermachen, wo wir einmal aufgehört haben. Belle!»
Isabelle sah sie kurz an, betrachtete dann die Karte, auf der sie noch einmal den in französisch geschriebenen Satz las: Ich denke an Dich.
«Danke, aber ...», erwiderte sie kühl und höflich und legte die Karte auf den Tisch, «zu spät!» Sie ließ Christin stehen und ging an ihren Platz zurück.
«Alles okay?» fragte Patrizia und sah über Isabelles Schulter hinüber zu Christin Laroche, die sich wieder setzte. «Du bist so blaß.»
«Ehrlich gesagt, ich bin müde. Ich würde gern gehen.»
Patrizia nickte verständnisvoll und tätschelte ihre Hand.
«Kümmerst du dich um die Bezahlung, Patrizia?»
«Bien sûr! Willst du, daß ich mitkomme?»
Isabelle schüttelte den Kopf, nahm ihren Mantel, den sie über die Lehne des Stuhls geworfen hatte, verabschiedete sich von allen freundlich per Handschlag und ging. Das Model sah ihr sehnsüchtig nach. Der italienische Fotograf nahm Patrizias Hand. André wollte Isabelle noch auf Wiedersehen sagen, aber da war sie schon draußen auf der Straße.
Die kühle Herbstluft und die Ruhe der nächtlichen Straßen taten ihr gut. Nachdem sie im Hotel an der Rezeption ihren Schlüssel in Empfang genommen hatte und einen Stapel mit Faxen und Couverts von Leuten, die sich mit ihr treffen wollten, fuhr sie mit dem Lift nach oben. Der Liftboy, ein hübscher Südfranzose Mitte Zwanzig, brachte sie bis zur Tür ihrer Suite. Eine Sekunde dachte sie darüber nach, ihn mit aufs Zimmer zu nehmen, es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß sie so etwas tat, sie hatte ein Faible für männliches Hotelpersonal. Er spürte das, er war geübt in solchen Dingen. Er blieb vor ihr stehen. Aber sie dachte eben nur eine Sekunde lang darüber nach. Dann überlegte sie es sich anders. Sie hatte keine Lust. Sie wollte allein sein. Rasch drückte sie ihm einen Zwanzig-Franc-Schein in die Hand, und er trollte sich.
Im Zimmer warf sie die Post auf den Schreibtisch, zog sich im Gehen aus, ging ins Badezimmer, schminkte sich ab, wusch sich und ging zu Bett. Sie sah auf ihre goldene Cartier-Armbanduhr. Es war halb eins. Sie nahm den Hörer des Telefons von der Gabel, hielt ihn eine Weile ans Ohr. Dann wählte sie eine Nummer. Es dauerte einen Moment, bis der Anruf angenommen wurde.
«Rix ?»
«Jon?»
«Ja?»
«Hier ist Isabelle ...»
«Isabelle .. .»
«Entschuldige, es ist spät, ich weiß, aber ich wollte dich so gern sprechen.»
«Das macht nichts. Ich schlafe sowieso nicht. Ich freu mich. Ich freu mich, deine Stimme zu hören.»
«Ich freu mich auch, deine Stimme zu hören, Jon.»
«Wo bist du? Es klingt so weit ...»
«Paris. Ich bin in Paris. Ich habe heute hier gezeigt, meine erste Schau.»
«Oh!» Er machte eine Pause. «Das wolltest du doch immer, oder? Wenn ich es noch richtig weiß, nach all den Jahren ...» Er hustete.
Sie schob ihre Kissen, die sie sich in den Rücken gelegt hatte, zurecht, während sie weiterredete: «Ich will gar nicht über mich sprechen, ich habe heute erfahren, daß ... Hellen ... man hat mir die Post nachgeschickt: Jon, es tut mir so leid, ich bin so traurig für dich.»
Er antwortete nicht.
«Ich habe deine Frau ja nur ein paarmal getroffen, wir kannten uns nicht sehr gut, aber ich mochte sie. Sie
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