Der Seher des Pharao
setzte etwas auf das Salatblatt und balancierte es vorsichtig auf ihrer Hand, die sie ihm hinhielt. Ihre Augen waren auf sein Gesicht gerichtet. »An deinem Namensgebungstag wünsche ich dir Glück«, sagt sie feierlich.
Huy sah zuerst den Glanz, einen intensiven Farbschimmer, der sich beim Näherkommen in einen goldenen Skarabäus verwandelte, dessen glatter Rücken im Sonnenlicht ebenso kräftig funkelte wie der breite Goldarmreif von Tante Heruben. Mit einem begeisterten Seufzer nahm er das Blatt und besah sich den winzigen goldenen Kopf der toten Kreatur, die goldenen Beinchen, die fast so dünn wie Gerstengrannen waren, die Art, wie andere Farben tief unten zu glitzern schienen, wenn er den Skarabäus bewegte.
»Er trieb im Hochwasser«, erklärte Ischat mit einstudierter Beiläufigkeit. »Vater sagt, Skarabäen sind sehr selten hier im Delta. Sie bevorzugen die Wüste. Er sagt, er würde mir Glück bringen, aber ich habe gesagt, Huy braucht das eher, wenn er weit weg von hier in der Schule ist. Damit hatte ich doch recht, oder?«
»Danke, Ischat«, sagte Huy mit belegter Stimme. »Das ist das wunderbarste Geschenk, das sich denken lässt. Ich verspreche dir, dass ich nie wieder garstig zu dir bin. Mutter, sieh doch, was Ischat mir geschenkt hat!« Er streckte das Salatblatt vor, damit die Anwesenden den Käfer bewundern konnten.
Ker beugte sich vor. »Das ist ein großartiges Omen für euch beide. Für Ischat, weil sie ihn gefunden hat, und für Huy, weil er ihn an diesem besonderen Tag bekommen hat. Bewahr ihn gut auf.«
»Behandle ihn vorsichtig«, fügte Hapu hinzu. »Er wird schnell austrocknen und brüchig werden. Nimm ihn nicht zu oft in die Hand.« Huy konnte nicht widerstehen, den warmen Seidenglanz zu berühren, die nahezu unmerkliche Teilung des Rückens durch die beiden Deckflügel, unter denen die Hautflügel unsichtbar zusammengefaltet waren.
»Ich habe etwas sehr Selbstloses getan«, ließ Ischat zufrieden vernehmen. »Die Götter werden mich belohnen.« Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte eine solche Äußerung ihr von jedem Erwachsenen, der sie hörte, einen Verweis – und einen schmerzhaften Knuff von Huy – eingebracht, aber heute widersprach ihr niemand.
»Du kannst die letzte Bak-Schote haben«, bot Huy an, und Ischat nahm sie mit der Selbstverständlichkeit einer Königin.
Die Bescherung, die danach folgte, war eine Art Antiklimax, und Ischat wusste das. Selbstgefällig beobachtete sie, wie ein Familienmitglied nach dem anderen den Beweis seiner Liebe darbrachte. Hapu hatte ein Senet-Spiel für seinen Sohn angefertigt. Die Quadrate auf dem Brett hatte er selbst ausgemalt, die Figuren vergoldet und den Spulen die Anmutung von Elfenbein verliehen. »Dies ist ein fesselndes und magisches Spiel«, erklärte er Huy, »und du bist jetzt alt genug, es zu lernen. In der Schublade unter dem Brett kannst du die Spielsteine und die Stäbchen aufbewahren, die man wirft, um die Länge jedes Zugs zu bestimmen. Das war die Idee deiner Mutter.«
Huy dankte ihnen pflichtschuldig. Die kräftigen Farben, die sein Vater so sorgfältig aufgetragen hatte, stachen ihm ins Auge, doch die ganze Zeit, während er die Schublade probehalber öffnete und schloss oder die Spielsteine über seine Handfläche rollte, dachte er auch an den Skarabäus neben sich im Gras.
Von seinem Onkel und seiner Tante bekam er einen Affen aus Elfenbein. Oben an seinem Kopf befand sich ein dünner Kupferdraht. Wenn man daran zog, schlug der Affe seine Hände mit einem klickenden Geräusch vor dem glatten, rundlichen Bauch zusammen. Ischat betrachtete ihn ehrfürchtig, doch Huy, der sich zwar ausdrücklich bedankte, fand ihn ein wenig beängstigend. Er wollte lieber nicht, dass er in der Dunkelheit neben seinem Bett saß, und das Material, aus dem er geschnitzt war, fühlte sich kalt an. »Elfenbein kommt aus dem Land Kusch weit im Süden«, erklärte Heruben. »Es stammt von einem riesigen Tier, das Elefant genannt wird.«
»Sind das seine Knochen?«, wollte Huy wissen. Die Vorstellung war für ihn ebenso unangenehm wie faszinierend.
»In gewisser Weise«, antwortete Ker für seine Frau. »Elfenbein wächst aus dem Kopf des Tiers, rechts und links neben dem Maul. Es hat eine ganz lange Nase, die bis zum Boden reicht.«
Huy versuchte, sich dieses Ding vorzustellen, und schüttelte sich ob des grotesken Bildes, das sein Geist heraufbeschwor. Aus Höflichkeit zog er ein paar Mal an dem Draht, und der Affe klimperte brav.
Itu
Weitere Kostenlose Bücher