Der Seher des Pharao
seines Onkels passiert hatte, die so voll mit Blumen waren, dass ihm von ihren berauschenden Düften fast schwindelig wurde. Als er die eigentliche Stadt erreichte, begegnete er anderen Frühaufstehern, die sich an ihr Tagwerk gemacht hatten. Die meisten erkannten ihn nicht und grüßten ihn fröhlich, doch ein paar machten einen großen Bogen um ihn, und eine Frau richtete ihren Arm mit steifem Daumen und Zeigefinger gegen seine Brust, um das Übel abzuwehren, das in ihm wohnte. Er verbeugte sich höhnisch vor ihr und ging lächelnd weiter.
Die Landungsstege der Schiffe waren noch ausgelegt, als Huy sich seinen Weg zwischen Leinenballen, Stapeln von Tongefäßen und Kisten sowie riesigen Körben mit Weinkrügen bahnte, die alle verschifft werden sollten. Thutmosis kam aus einer der Kabinen. »Huy!«, rief er und lehnte sich über die Reling. »Hierher! Wir haben Glück. Vater und Nascha fahren mit der anderen Barke! Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben, dass ich dir eine Sänfte schicken soll? Du siehst erhitzt aus!«
Dankbar überließ Huy seine Beutel dem Matrosen, der sich am Fuß des Stegs erhoben hatte, und rannte an Bord.
Thutmosis umarmte ihn. »Wir waren nicht sicher, ob du kommen würdest«, sagte er vorwurfsvoll. »Vater läuft schon den Kai auf und ab. Ein schlechtes Zeichen.«
Huy blickte hinter sich und sah den Fürsten Richtung Steg kommen. Als er Huy entdeckte, warf er die Arme mit einem entschuldigenden Lächeln hoch und drehte zum anderen Schiff ab. Huys Blick folgte ihm hinauf, wo Nascha saß, prächtig in rotes Leinen gekleidet und mit dünnen Goldarmreifen geschmückt. Sie aß etwas, das wie ein riesiges Stück weißen Käses aussah, und winkte Huy mit ihrer freien, hennaroten Hand zu.
Der Befehl, die Leinen loszumachen und die Stege einzuholen, wurde gegeben, die Steuerleute kletterten auf ihre Positionen, die Matrosen bemannten die Riemen, und die beiden Schiffe nahmen Fahrt auf. Huy schloss die Augen, hielt sein Gesicht in die ersten Strahlen des wiedergeborenen Re und schob die letzte Nacht zu Hause aus seinem Bewusstsein. Das widerlich stinkende Wasser, der kräftige Geruch der Leinen und der leicht süßliche Duft der Zedernplanken bildeten eine starke Gegenwart, gegen die die Schreckgespenste, die ihn gequält hatten, nicht ankamen. Grinsend drehte er sich zu Thutmosis um. »Ich bin am Verhungern. Gibt es auf diesem Floß etwas Essbares?«
Nacht ließ seine Leute früh festmachen, und als Re in Nuts Mund versank, bauschten sich die Planen der Leinenzelte schon im sanften Abendwind, und der Geruch von Fisch, der über einem fröhlichen Feuer briet, umgab die vier Reisenden. Nacht saß mit einem Becher Wein in der Hand auf einem Hocker, Nascha daneben. Thutmosis und Huy hockten im Schneidersitz zu ihren Füßen im Sand. Mit wohliger Zufriedenheit beobachtete Huy das Kommen und Gehen der Diener. Er nippte an seinem Wein, die Brise wehte Nachts Schurz gegen seinen nackten Rücken, Nascha plauderte mit hoher Stimme über Belanglosigkeiten, und er selbst fühlte sich wunderbar geschützt in dieser gütigen Familie. Egal, was mir geschieht, ich kann immer in Nachts Haus kommen, wo ich sicher bin. »War deinen Geschäften mit dem Fürsten meines Sepats ein erfolgreicher Abschluss beschieden, Herr?«, fragte er.
Nacht lächelte ihn an. »Gewiss. Wie du sicher weißt, liegt der Soda-Nachschub aus der großen Senke westlich deiner Stadt in seinen Händen. Ich habe mir vom König die Erlaubnis geben lassen, mit ihm auszuhandeln, dass mehr Soda in den Sepat eingeführt wird, der unter meiner Führung steht. Er ist ein sehr entgegenkommender Mann.«
»Der König?«
Nacht gluckste. »Nein, dein Fürst. Der König kann auch entgegenkommend sein, wenn er will, aber mit zunehmendem Alter ist er etwas, sagen wir mal, weniger hilfsbereit geworden.«
»Vater!«, schaltete sich Thutmosis empört ein. »Du sprichst von unserem Gott! Er ist die Verkörperung von Gerechtigkeit und Weisheit!«
»Jetzt fang bloß nicht an, die Tugenden deines Idols zu rühmen, Thutmosis«, sagte Nascha grob. »Dann kommen wir nie dazu, den Fisch zu essen. Und dabei hängt mir der Magen schon in den Kniekehlen.«
Als sie ihr Mahl beendet hatten, war es dunkel geworden, doch sie blieben sitzen, tranken und plauderten im Schein des niederbrennenden Feuers. Huy dachte an die vielen Male, die er nicht weit von dieser Stelle mit Ker auf dem Weg nach Iunu Rast gemacht hatte, aber es erschien ihm, als wäre es ein anderer
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