Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
nach Hause bringen.«
»Mylord«, drang Isobels erstickte Stimme an sein Ohr. »Ihr seid in Sicherheit. Wir bringen Euch von hier weg.«
Er bemühte sich, die Schwärze aus seinem Kopf zu vertreiben, weil er sehen wollte, ob das wirklich Isobel war oder ob sein Verstand ihm nur einen Streich spielte. In den letzten Stunden hatte er während der Folter feststellen müssen, dass er seinen Verstand dazu bringen konnte, Dinge zu tun, die sein Körper ihm verweigerte. Wenn er all seinen Willen darauf richtete, die Augen zu öffnen, würde er vielleicht die Wahrheit zu sehen bekommen. Langsam schlug er die Lider auf, und dann konzentrierte er sich auf das Gesicht über sich.
Ein dunkles Augenpaar betrachtete ihn. Isobels Augen. Sie wirkte verängstigt, aber da war noch ein anderes, düsteres Gefühl zu erkennen, das er erst vor kurzem anderswo schon einmal beobachtet hatte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wo das gewesen war. Wenn es ihm doch nur einfallen würde …
Ihr Blick erfasste sein Gesicht, und auf einmal wurde es ihm klar. Er sah, wie Granges Gesicht sich in ihren Zügen widerspiegelte. Er kniff die Augen fest zu, überzeugt davon, dass er sich täuschte.
Als wollte sein eigener Verstand ihn widerlegen, nahm er die feuchte Erde unter sich ebenso bewusst wahr wie den Geruch des verrottenden Laubs, von denen er umgeben war.
Warum sah er Grange in Isobels Gesicht? War das ein Zeichen? So etwas wie die Dinge, die Brahan sah, wenn der Schicksalsstein ihm Bilder zeigte? War hier ein Täuschungsmanöver im Spiel? »Wie hast du mich gefunden?«, fragte er in die Richtung, aus der Brahans Stimme zu ihm drang.
»Ich war nicht derjenige, der dich gefunden hat. Dafür darfst du dich bei deiner Ehefrau bedanken.«
»Isobel? Aber wie? Woher sollte sie wissen, dass ich mich hier befinde?« Wolf drehte sich zu dem anderen Gesicht um. Ja, sie war tatsächlich hier. Er betrachtete ihre blasse, ausgezehrte Miene genauer und fand, dass sie so zart aussah wie die empfindlichste Blüte, die man sich vorstellen konnte. Doch selbst die giftigsten Pflanzen trugen Blüten.
Ihn kostete es Mühe, diesen Gedanken zu verdrängen. Nein, es waren die jahrelangen Täuschungsmanöver seines Vaters gewesen, die ihn überhaupt erst auf solche Überlegungen brachten. Er beschloss, dass die einfachste Vorgehensweise auch die beste war. Also hob er ihre Hand an seine Lippen und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Finger.
Ihre Wangen erröteten, so dass die Furcht aus ihrem Gesicht verschwand. »Wir müssen Euch nach Hause bringen, Mylord.«
Ihre Finger glitten aus seiner Hand. »Isobel?«, brachte er heraus, doch wegen seiner ausgedörrten Kehle klang es, als würde ein anderer reden.
»An Eurer Seite, Mylord. Ich bleibe an Eurer Seite.«
Trotz der Finsternis, die sich wieder über seinen Verstand legte, brachte er ein schwaches Lächeln zustande. An Eurer Seite. Das hörte sich schön an. Sobald er dazu in der Lage war, würde er sie an dieses Versprechen erinnern, dass sie an seiner Seite bleiben wollte.
Zwanzigstes Kapitel
Izzy sah mit an, wie das Lächeln von Wolfs Lippen schwand. Sie legte seinen Kopf in ihren Schoß, um ihn zu schützen, so gut sie es konnte. Bei dieser Bewegung stöhnte er auf, und unwillkürlich stiegen ihr Tränen in die Augen, als ihr bewusstwurde, dass sie ihm weiter Schmerzen zufügte, so wie ihr Vater es vor ihr getan hatte.
»Ich verbinde sein Bein«, erklärte Brahan. »Dann werden wir ihn bewegen müssen.«
»Er hat so viel Blut verloren«, gab Izzy zu bedenken, der nicht entgangen war, dass sein Blut in den Boden eingesickert war, auf dem sie kniete.
»Er ist robust.« Brahan band sein Hemd um Wolfs verletztes Bein, und sofort zeichnete sich auf dem gelblichen Stoff ein blutroter Fleck ab, der aber nicht wesentlich größer wurde.
Die Schatten der Baumkronen wanderten unterdessen weiter, und das goldgelbe Licht nahm allmählich einen rötlichen Ton an. Die Sonne würde bald untergehen.
»Wir müssen ihn nach Hause bringen, bevor Grange noch mehr seiner Handlanger losschickt oder gar selbst hier auftaucht.«
Izzy wusste, sie mussten aufbrechen, trotzdem konnte sie sich nicht von der Stelle rühren. Es war so, als würde das Licht sie hier festhalten, das Wolf in einen rötlich-goldenen Schein tauchte, der ihm etwas Überirdisches verlieh. »Gebt mir bitte einen Moment.«
Brahan nickte. »Ich mache die Pferde fertig zum Losreiten.«
»Ich danke Euch«, gab sie zurück, als er wegging
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