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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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triumphalen Sieg eine seiner geliebten und mit Spielverbot behafteten Jazz-Platten auflegen sollte, nur um Sybille noch einmal akustisch in ihre Schranken zu weisen. Das Au-Pair-Mädchen Svitlana hatte schon vor einer Woche gekündigt – was niemanden störte, denn es war schon Ersatz bestellt worden. Vermutlich lebte sie mittlerweile mit ihrem Freund zusammen und betrieb ein Nagelstudio. Die Köchin kontrollierte gerade im Keller die Vorräte und Sybille war aus dem Haus gerannt, ohne zu wissen, was sie jetzt tun sollte. Sie überquerte die Straße und blickte zurück. Tränen stiegen ihr in die Augen. Schnell sah sie zu der Villa ihres Vaters. Dort standen ihr unbekannte Autos. Warum war ihr das nicht schon vorher aufgefallen? Das waren vermutlich die Polizisten, die jetzt alles nach Spuren absuchten oder wie die Spinnen vor dem Telefon lauerten, falls die Entführer anriefen. Den Gedanken, hinzugehen, verwarf sie schnell. Sie war zu aufgebracht, um jetzt noch mehr schlechte Nachrichten zu verkraften. Auch Georg setzte sie ganz hinten auf die Ersatzbank. Er würde es schon schaffen, da war sie sicher. Um ihn kümmerten sich jetzt erfahrene Ärzte, aber wer kümmerte sich denn nun um sie? Was sie dringend brauchte, war Trost und zwar eine ganze Menge!
    Schnell holte sie das Handy hervor und wählte Wolfis Nummer. Sie wartete. Das Freizeichen ertönte, es klingelte. Sie ließ es lange klingeln. Nichts! Niemand hob ab, denn Wolfi hielt Wort. Er hatte es Erika versprochen und momentan war er sowieso viel zu beschäftigt, um ans Telefon zu gehen. Enttäuscht legte Sybille auf. Nicht einmal eine Mailbox hatte ihr geduldig zuhören wollen. Langsam ging sie die Straße weiter und blieb erstaunt stehen. Da lehnte ja immer noch das Fahrrad von dem hübschen Polizisten am Zaun. Es war noch nicht mal abgesperrt. Merkwürdig! Wo er wohl steckte? Eines war natürlich klar, auch dieser Mann hatte sie im Stich gelassen.
    »Sybille?«, sie fuhr herum.
    »Mei, entschuldig bitte. Ich wollt dich nicht erschrecken!«
    Claudia Hubschmied stand vor ihr. Sie hatte sie nicht kommen hören. Schnell steckte Sybille das Handy weg, strich eine Strähne aus der Stirn und versuchte ein unverfängliches Lächeln.
    »Claudi, na da schau her. Mit dir hab ich jetzt nicht gerechnet.«
    Sie segnete im Gedanken die schlechte Straßenbeleuchtung, denn es hätte ihr gerade noch gefehlt, dass diese Schnüfflerin gleich an ihrem Gesicht erkennen würde, wie es um sie bestellt war. Einige Sekunden sahen sie sich schweigend an. Es war klar, dass jede wusste, wie es im Augenblick um die Millionärsfamilie Möller stand, aber darüber sprach man nicht. Sybille und Claudia waren nie richtig miteinander warm geworden. Im gegenseitigen Austausch von Arroganz und Standesdünkel auf der einen Seite und Ignoranz und Selbstbewusstsein auf der anderen waren sie auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen. Man hatte gelernt, sich zu akzeptieren und sich aus dem Wege zu gehen. Über Nebensächlichkeiten kamen sie in ihren seltenen Gesprächen nie hinaus und es war nun merkwürdig, dass sie sich ausgerechnet jetzt und mit einem sie gemeinsam betreffenden Problem gegenüberstanden.
    »Nun …«, räusperte sich Claudia. »Nun, es tut mir leid mit deinem Vater …«
    »Tja. Ich glaub mal, wenn du ihn suchst, dann besteht noch Hoffnung.«
    Claudias Augen verengten sich. War da ein ironischer Unterton? Sie hatte keinen bemerkt, was verwunderlich war, denn Sybille war eine Meisterin, wenn es darum ging, ätzende Kommentare zu formulieren. Als ob sie Claudias Misstrauen gespürt hätte, sagte sie:
    »Ich mein des Ernst, Claudi. Auch wenn wir in der Vergangenheit nicht allzu große Stücke aufeinander gehalten haben, so habe ich dich immer respektiert und bin tatsächlich der Meinung, dass du ein verdammt guter Bulle bist. Ehrlich!«
    »Danke«, Claudia musste schlucken. »Dann weißt du es also noch nicht, dass ich’s war, die den Schorschi verhaftet hat.«
    Sybille zog hörbar die Luft ein. Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Naa, des hab ich nicht g’wusst. Tja, wenigstens bleibt es in der Familie.«
    Sie lachte bitter, als ihr auffiel, dass Kommissarin Hubschmied jetzt bestimmt nicht mehr zu ihrer Sippe dazuzuzählen war.
    »Tschuldige, war dumm von mir. Die Hochzeit können wir wohl abblasen. Egal, wenigstens biste die Einzige, die mir die Wahrheit sagt und mich nicht in Watte einpackt. Das schätz ich sehr.«
    »Wie geht es dir denn?«
    Sybille hatte mit allem gerechnet,

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