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Der Sensenmann

Der Sensenmann

Titel: Der Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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näherte, hörte ich den hektischen Atem, und ich wußte, daß sie den Sensenmann verflucht nah gespürt haben mußte. Sie schaute mich zwar an, nahm mich allerdings nicht wahr, während ich auf sie zulief und dabei schaute, ob sie irgendwelche Verletzungen hatte.
    Es war nichts zu sehen. Keine Verletzungen, auch kein Blut, nur eben die Angst.
    Die Frau trug einen Übergangsmantel und hatte ihre Finger in die Revers verkrallt. Als sie mich jetzt wahrnahm, sah es aus, als wollte sie schreien, aber sie hielt sich im letzten Augenblick zurück. Ich sprach sie an. »Bitte, Sie brauchen keine Angst zu haben. Es ist alles in Ordnung.«
    Das glaubte sie mir nicht. »In Ordnung? Nichts… nichts…«, ihre Stimme überschlug sich. »Das ist nicht wahr. Das kann ich nicht glauben. Nichts ist in Ordnung…«
    »Nun schon.«
    »Ich habe etwas gesehen.«
    »Was?«
    »Das… das…«, sie schaute sich um. »Es war eine so schreckliche Gestalt. So groß und auch bewaffnet. Mit einer Sense, das konnte ich erkennen.«
    »Einen Schatten!«
    Für einen Moment bekam ihr Blick wieder die Normalität zurück. Sie funkelte mich an. »Nein, das ist nicht nur ein Schatten gewesen. Er war auch echt. Ja, er war echt. Ich sah ihn an der Decke und auch wirklich.« Sie faßte mich an und griff hart zu. »Ich muß hier raus!« flüsterte sie. »Verstehen Sie das? Ich kann nicht länger hier unten bleiben.«
    »Ich werde Sie zum Ausgang bringen!« hörte ich die ruhig klingende Stimme des Kommissars. »Kommen Sie bitte.«
    Wäre die Säule weich gewesen, hätte sich die Frau noch hineingedrückt. So aber konnte sie nicht weiter zurück, und sie blieb stehen wie festgenagelt.
    Uwe Hinz zeigte ihr seinen Ausweis und erklärte ihr, wer er war. Sie schaute ihn an, nickte schließlich, und Uwe nahm den Korb hoch. Mir flüsterte er zu: »Ich bin gleich wieder da.«
    »Okay.«
    Ob der Sensenmann die Halle hier unten verlassen hatte, wußte ich nicht. Mir kam in den Sinn, daß an diesem Ort früher einmal das Hexenhaus gestanden hatte. Er war also an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt.
    Gab es einen Grund? Wollte er das nachholen, was er vor einigen Jahrhunderten versäumt hatte?
    Ich wußte es nicht, aber ich hielt weiterhin die Augen offen, denn trauen konnte ich ihm nicht. Er war verdammt gefährlich. Daß er gnadenlos tötete, hatte er bewiesen.
    Ich ging langsam durch die Garage. Kein anderer Mensch war zu sehen. Im Moment jedenfalls hatte ich Ruhe und hoffte aus ganzem Herzen, daß es auch so blieb.
    Eine leere Decke, ein leerer Boden. Kein Schatten, der über die Dächer der abgestellten Wagen strich. Die Umgebung war wieder zur Normalität zurückgekehrt, wobei ich nicht glauben wollte, daß sich Ludwig von Thann zurückgezogen hatte. Er wußte jetzt, daß man ihm auf der Spur war. Er hatte sogar Kontakt mit mir aufgenommen. Der Gedanke daran brachte mich wieder dazu, nach meinem Kreuz zu tasten.
    Es zeigte jetzt die normale Wärme. Mit keinem Zeichen gab es bekannt, daß sich die dämonische Gefahr in der Nähe etabliert hatte. Ich atmete auf. Weniger meinetwegen, sondern wegen der unschuldigen Personen, die das Gelände hier betreten würden.
    Ich hörte den leisen Ruf des Kommissars. Zweimal hatte er meinen Namen gerufen.
    »Ja, ich bin hier.«
    Der Kommissar hatte mich schnell gefunden. Er schüttelte leicht den Kopf. »Die gute Frau wird das Erlebnis hier nicht vergessen. Ich habe ihr geraten, in ein Café zu gehen und zunächst einen Schnaps auf den Schreck zu trinken.« Er atmete scharf ein. »Wenn wir nicht gewesen wären, hätte es für sie böse enden können. Ich glaube nicht, daß der Sensenmann Erbarmen gekannt hätte. Wobei ich mich allerdings frage, was er hier unten zu suchen hat.«
    »Das hier war doch sein Platz.«
    Uwe Hinz starrte mich an. »Richtig, Sie haben recht. Stimmt, hier unten müssen sich die Keller des Hexenhauses befunden haben. Die Folterkeller.« Uwe Hinz hob die Schultern. »Wobei ich noch meine Probleme habe, John. Das ist doch alles vorbei. Es gibt die Keller nicht mehr. Das Haus ist abgerissen worden, und so hat man die Vergangenheit eben ausgelöscht.«
    »Aber nicht den Boden.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er ist blutgetränkt. In ihm ist das Blut zahlreicher Opfer hineingesickert. Es ist nicht verdampft, nicht verdunstet, Uwe. Es hat sich gehalten. Ich will nicht von einer verbrannten Erde sprechen, doch viel fehlt nicht.«
    Der Kommissar zuckte die Achseln. »Sie sind der Fachmann«, sagte er leise.

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