Der Sensenmann
seinen verdammten Händen.
Ich war wahnsinnig besorgt um sie. Gleichzeitig verfluchte ich sie auch. Daß sie immer das tun mußte, was ich nicht wollte. Sie hatte sich in der letzten Zeit zurückgehalten und war unseren Ratschlägen gefolgt. Doch wer hätte auch Vorhersagen können, daß beim Besuch einer alten Freundin derartige Dinge passieren würden?
Ich hörte von rechts her das Heulen der Sirenen. Drei Wagen nahten. Hinz kam mit großer Mannschaft. Er selbst saß in seinem Lancia, den er dicht vor meinen Zehenspitzen stoppte und sehr schnell ausstieg.
Er war erregt. Das Gesicht zeigte hektische, rote Flecken. Er wollte sofort wissen, was mit Lady Sarah geschehen war. »Wir haben darüber ja nur kurz gesprochen,John.«
»Ich kann dir auch nicht mehr sagen, Uwe. Sie ist verschwunden.«
»Er kann sie auch mitgenommen haben, nicht?«
»Das ist möglich.«
»Dann hätte er eine Geisel.«
»Du sagst es.« Ich wußte, daß Hinz zu tun hatte, und erklärte ihm, wo er die Leiche finden konnte.
»Willst du mit rein?«
»Nein, ich warte hier.«
»Gut, ich werde mich beeilen. Zum Glück kann ich mich auf meine Leute verlassen.« Er wollte gehen und hatte sich schon abgewendet, als er noch einmal stehenblieb. Sein Gesicht sah nicht glücklich aus, als er zu einem Mann blickte, der soeben aus einem Ford Fiesta gestiegen war und eine Kamera bei sich trug.
»Die Presse, John, man hat Wind davon bekommen. Hier heulen eben nicht oft die Sirenen.«
»Nichts sagen. Zumindest nicht die Wahrheit, Uwe.«
»Für wen hältst du mich?« Er lief auf das Haus zu, aber der Reporter schnitt ihm den Weg ab. Er trug eine flache Mütze auf dem Kopf und fuchtelte mit beiden Händen. Dabei redete er auch, aber Hinz ließ sich auf nichts ein. Ein Streifenwagen war inzwischen auch eingetroffen. Die Besatzung versperrte den Zugang zur Tür. An den beiden Polizisten kam auch der neugierige Reporter nicht vorbei.
Ich wollte mich nicht in die Unterhaltung einmischen. Das war allein Sache der Polizei. Ich dachte schon einige Schritte weiter und schaute dabei zum Michaelsberg hoch.
Ich sah die Kirche, die dort stand, als hätte man sie als einen Wächter aufgebaut. Es gab auch einen schmalen Fußweg dorthin, der mir erst jetzt auffiel, und ich dachte daran, daß dort oben alles begonnen hatte.
Begonnen – und geendet.?
Gerade das letzte Wort wollte mich nicht loslassen. Dieser Sensenmann hatte ein Ziel, das stand für mich fest. Er hatte damit auch nicht zurückgehalten, nur kannte ich nicht einmal den Weg, der zu diesem Ziel hinführte.
Einer wie er wollte dem Teufel oder wem auch immer etwas beweisen. Aber was? Wollte er wieder mit seiner verfluchten Schreckensherrschaft anfangen und die Menschen vernichten? Sie töten wie vor hunderten von Jahren? Die Hexenverfolgungen in das moderne Zeitalter zurückholen? Realistisch gesehen war so etwas unmöglich, aber konnte jemand wie er überhaupt real denken?
Ich glaubte nicht daran. Sein Realismus war ein ganz anderer als meiner.
Inzwischen war ich davon überzeugt, daß Ludwig von Thann Lady Sarah nicht getötet hatte. Eine bessere Geisel hätte er nicht bekommen können. Doch auch der Gedanke daran ließ mich frösteln und zusammenzucken. Der Druck hinter meiner Stirn, die Unruhe breitete sich aus. Immer öfter schaute ich zum Eingang hin und suchte nach Kommissar Hinz. Er kam noch nicht. Dafür aber meldete sich mein Handy.
Da auch Uwe Hinz meine Nummer wußte, rechnete ich damit, daß er mich anrief. Das war ein Irrtum.
Lady Sarah meldete sich plötzlich mit einer Stimme, die mich tief erschrecken ließ. Sie war nur ein Flüstern, man hörte daraus hervor, wie schlecht es ihr ging.
»John…«
»Sarah, wo bist du?«
»Nein, keine Fragen. Ich kann es dir nicht sagen. Er würde mir sonst den Kopf abschneiden.«
»Er ist also bei dir?«
»Er nahm mich mit. Ich war bewußtlos. Deshalb auch meine schwache Stimme. Du mußt nur tun, was dir gesagt wird, John. Versprichst du mir das?«
»Klar.«
»Halte dein Handy immer bereit. Man wird dich anrufen. Wahrscheinlich ich…«
»Und dann?«
»Ich weiß es noch nicht, ich…«
Schluß, Ende, vorbei. Es gab keine Verbindung mehr und auch nicht die Stimme der Horror-Oma. Ich starrte das Handy an, wie jemand, der es hypnotisieren will, doch es tat mir nicht mehr den Gefallen, sich zu melden. Ich war sehr bleich geworden. So fand mich auch Kommissar Hinz vor, als er mit eiligen Schritten das Haus verließ, den wartenden Reporter wieder
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