Der Serienmörder von Paris (German Edition)
händigten zuerst die Bettwäsche aus, mit dem Versprechen, den Rest zu einem späteren Termin zu übergeben. Wie sich Roart erinnerte, hatte der Arzt mit dem kleinen René auf seinen Knien gespielt, wobei der Junge sich gegen ihn gesträubt hatte.
Petiot hatte die Abreise bis ins kleinste Detail geplant und vorbereitet. Er wollte in der Nacht Noés Wohnung aufsuchen, zuerst Kurt Kneller mitnehmen und am folgenden Tag Greta und René abholen. Sie sollten einzeln zu einem Ort gebracht werden – mutmaßlich ein Haus, um sich auszuruhen –, wo man ihnen falsche Papiere aushändigen und eine Reihe von Schutzimpfungen verabreichen würde. Die Familie freute sich schon, in kürzester Zeit wieder vereint zu sein, um in die neue Welt aufzubrechen.
Nach der angeblichen Flucht aus Paris erhielten einige Freunde der Familie und Verwandte Briefe und Postkarten. Roart bekam ungefähr 15 Tage später eine Karte, wie auch Noé und Jorin, wobei man bei Letztgenanntem vermutete, dass er Juwelen und Wertgegenstände der Knellers sicher aufbewahrte. In allen Schriftstücken fand sich ein nahezu identischer Text. Die Knellers hätten die Überfahrt sicher überstanden und es ginge ihnen gut, obwohl Kurt während der Reise erkrankt sei. Die Briefe und Karten erhielten die Aufforderung, exakt so wie im Fall Braunberger, sie nach dem Lesen unverzüglich zu vernichten.
Es gab jedoch einige Auffälligkeiten. Madame Kneller unterschrieb jeden Text mit „Marguerite“, obwohl sie, wie ihre Freunde wussten, die deutsche Schreibweise Margareth beibehalten hatte und immer die Kurzform „Greta“ vorzog. Die Handschrift wirkte kantiger und bemüht. Trotzdem schienen die Schriftstücke jede Besorgnis, dass etwas nicht stimmen könnte, im Keim zu ersticken. Sie dienten darüber hinaus noch einem weiteren Zweck, denn wie im Fall Braunberger waren sie eine ideale Werbung für zukünftige Kunden.
Als man Christiane Roart auf der Polizeiwache verhörte, legte man ihr Fahndungsfotos vor. Ohne zu zögern, deutete sie auf Petiot. Sie war sich darüber hinaus sicher, dass die Handschrift auf der Karte mit einer Schriftprobe auf einem Rezept Petiots übereinstimmte. Als sie die Koffer betrachtete, die sie wahrscheinlich für die Familie gepackt hatte, glaubte sie ein Männerhemd mit den undeutlich zu lesenden Initialen „K. K.“ wiederzuerkennen, das einst Kurt Kneller gehört hatte.
Auch weitere Gegenstände in den Koffern Petiots ließen sich bis zu der Familie zurückverfolgen, darunter ein schwarzer Damenmantel, ein Morgenmantel und einige Küchen- und weitere Handtücher, alle mit ihren Initialen bestickt. Roart erkannte einen gestreiften Seidenpyjama, der sich aber nicht mit Sicherheit dem jungen René zuordnen ließ. Allerdings schienen die Hosen eines anderen Schlafanzugs dem Jungen gehört zu haben, da sich Roart daran erinnerte, dass man sie aus einem Hemd ihres Vaters genäht hatte. Schwerer wog allerdings die Tatsache, dass der Name des Jungen, sein Alter und das Geburtsdatum mit den Angaben auf einer Lebensmittelkarte übereinstimmten, die Petiot zum Zeitpunkt seiner Verhaftung bei sich getragen hatte.
Die Knellers wurden weder in Paris noch in Argentinien gesehen. Am 8. August 1942, drei Wochen nach ihrem Verschwinden, berichteten Arbeiter eines Lastkahns, dass sie in der Seine nahe Asnières eine Tasche gefunden hätten.
Darin befanden sich die verstümmelten Überreste eines Jungen im Alter von ungefähr acht oder neun Jahren sowie der Kopf, die Oberschenkel, das Becken, die Arme mit den Schulterblättern und das Schlüsselbein einer Frau im Alter von ca. 40 bis 45 Jahren. Drei Tage darauf fand man einen Männerkopf im Fluss. Die Leichenteile konnten nie eindeutig identifiziert werden, doch man verzeichnete die Knellers auf der Liste der Opfer Petiots.
Am 30. Oktober, beinahe ein Jahr nach dem Tag seiner Verhaftung, weigerte sich Petiot plötzlich, weitere Fragen ausführlich zu beantworten. Er beschloss die Verhöre mit der Aussage, dass der Untersuchungsrichter wohl genügend Zeit für seine Ermittlung gehabt hätte und jede relevante Frage gestellt habe. Petiot zog hiermit einen deutlichen Schlussstrich. Von nun an hob er sich die Antworten für den Prozess auf.
Gollety versuchte, ihn aus der Reserve zu locken, doch der Arzt blieb hartnäckig. An einigen Stellen liest sich das Dossier wie eine Farce, wie etwa die Mitschrift des Verhörs vom 3. November 1945 belegt.
„Wann genau erwarben Sie das Anwesen in der Rue Le
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