Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
erkenne ich Hooligans auf den ersten Blick. Die Schneeballwerfer gehören auch dazu. Keine Ahnung, was die Einheimischen alles für Stress miteinander haben. Wir alle hier wollen es gar nicht erst rausfinden.“
Viele in der Gruppe stimmten ihrem bulligen Kumpel zu und nach der abermals missglückten Dopingkontrolle wäre Justin nur zu gerne mit den Fans heimgeflogen.
„Was du machst für ein Gesicht! Du hast die Goldmedaille und Jonny ist mit den Enthüllungen von vorhin so gut wie rehabilitiert! Das steht seit ein paar Minuten auf der ARD-Homepage“ Monti drückte den überrumpelten Justin ungeniert vor die Fans. Bei Richard ließ er es mit einem langen Händedruck bewenden. Der Prinz beobachtete genau, wie Justin von Vanessa schon wieder Wangenküsschen bekam. Die Begeisterung ließ den jungen Liechtensteiner die düsteren Gedanken um die Hooligans und die seltsame Verschwörung mit den gefälschten Dopingtestsets vorerst vergessen.
Auch ein neuer Busfahrer gratulierte mit einer Verbeugung aus dem Nacken und betonte, wie furchtbar demütigend die Schneeballwürfe für ihn als Russen gewesen seien. Vom Skandal um Koslow schien er noch nichts erfahren zu haben oder konnte man dessen wohl von Pizunda diktiertes Statement so verstehen, dass man ihn als Unwissenden verkaufen wollte? Die Gratulation mit Patrik und Damien fiel für Justins Geschmack etwas zu förmlich aus. Conradin lobte: „Super angriffiger zweiter Lauf! Sehr riskant, aber es ist ja gut ausgegangen!“, und auch der Slalomspezialist Damien Vincent gratulierte. Justin bedankte sich für das Lob und würdigte die olympischen Diplome von Damien und Patrik. Letzterer reagierte nicht. Justin erklärte Damien, er hätte einfach die Wut über die Schneeballwürfe in seinen Fahrstil übertragen. Bei der Tür in der Mitte des Busses wartete Stas und überreichte Justin und Richard eine versiegelte Getränkeflasche und zwei ETH-Sportlerriegel.
Kaum rollte der Bus an, setzte sich Monti zu Justin und hieß Richard gleich gegenüber dem Mittelgang Platz nehmen. Sie mussten ihm alles über den Dopingbetrug erzählen und auch Richards Bodyguard James hörte mit gespitzten Ohren zu.
Auf dem Parkplatz beim Dorf wartete bereits Mayerhofer. Seinem finsteren Gesichtsausdruck nach war er nicht zum Gratulieren hierher hochgefahren. Trotzdem schüttelte er Justin und Richard die Hand. Eine Horde Paparazzi eilte herbei; Reden war unmöglich. Der Prinz blieb nach wie vor beim Unverbindlichen. Es sei eine Ehre für das Vereinigte Königreich, die erste Alpin-Medaille gewonnen zu haben. Zugerufene Fragen über den Dopingskandal ignorierten beide und die Fotoapparate klickten und surrten nochmals heftig, als Vanessa zwischen Justin und Richard die Treppe hochging.
Am Hauseingang musste die Presse zurückbleiben.
„Ich bin wirklich stolz auf euch beide“, lobte Vanessa, legte ihnen je einen Arm um die Schulter und meinte mit Blick zu Mayerhofer. „Wir sollten es wie die Fans halten und auf den Slalom verzichten. Wir haben ja jetzt bereits einen der besten Medaillenspiegel, die je ein Schweizer Männerteam hatte.“
„Das Team hat heute zwei Medaillen gewonnen, aber nicht die Schweiz. Ich habe einen Konferenzraum reserviert. Gehen Sie inzwischen einen Kaffee trinken, Fräulein Vanessa?“
Justin wusste, Vanessa hasste nichts mehr als genau den Ausdruck „Fräulein“. Zum Glück reagierte sie nicht darauf.
Saubauer schickte die Athleten zu einem leichten Lockerungstraining, das sein deutscher Kollege Hans-Rüdiger durchführen würde. Er musste zusammen mit Mayerhofer, Monti und Romani und – für Justin besonders beunruhigend – mit James nun in eine Sitzung. Offenbar gab es da etwas über die Sicherheitslage zu diskutieren, das die jungen Sportler nicht hören durften.
Oben auf dem Zimmer trafen Richard und Justin endlich Fabian und Florian an. Die beiden saßen in der Wohnküche vor dem Fernseher und schauten sich eine Folge aus Raumschiff Voyager an. Florian hatte dabei seinen Kopf an Fabians Schulter gelehnt. Sie blickten auf, als ihre beiden Zimmergenossen hineintraten.
„Hallo! Hans-Rüdiger wird mit uns jetzt gleich ein Lockerungstraining machen“, erzählte Justin.
„Viel Vergnügen! Wir verlassen das Zimmer ausschließlich für die Fahrt zum Flughafen“, grollte Fabian, während Richard und Justin begannen, den Renn- gegen einen Trainingsanzug zu tauschen. Justin hielt es für besser, Pizundas Warnung wegen der sogenannten Homopropaganda nicht
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