Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
markanten Stirnglatze in Begleitung des britischen Botschafters an die Reihe sowie die IOC-Mitglieder Earl Corby und Dr. Graber. Zum Schluss trat der berühmte Schweizer Pistenbauer Russi vor die Menge.
Justin fühlte unangenehm seinen Magen rumoren beim Anblick all dieser wichtigen Leute. Dem IOC-Funktionär Graber wurde unhöflich ein Mikrofon unter die Nase gehalten und nach der Rehabilitierung der Athleten gefragt, das der aber mit einem „
no comment
“ wegschob. Justin positionierte sich dicht neben Vanessa, sodass Richard auf ihrer anderen Seite bereits misstrauisch schaute, aber die Nähe seiner gefühlten Schwester gab dem Liechtensteiner Halt, da er als Olympiasieger all diesen wichtigen und sehr erwachsenen Leuten die Hand schütteln musste.
„Ab jetzt sind Sie ein Vorbild für die Jugend, denken Sie künftig daran“, mahnte ihn der IOC-Funktionär. Justin hatte keinen Zweifel daran, dass der grauhaarige Mann mit Feuermal auf der Stirnglatze damit auf die Exkursion ins Café anspielte.
„Ja, eine Goldmedaille macht aus einem Jungen einen Mann wie die Rekrutenschule in meiner Armee. Da müssen Sie doch noch hin?“, fragte Bundesrat Stutz.
„Ich bin Liechtensteiner und muss deshalb nicht in Ihren Grundwehrdienst“, bemerkte Justin und wurde sich in dem Moment bewusst, dass der Magistrat vor laufender Kamera in ein Fettnäpfchen getreten war.
Nach der Gratulation blickte Stutz Vanessa an. „Meine beste Klassenkameradin aus dem Gymnasium und Richards gefühlte Verlobte, Vanessa del Monte Caslano“, stellte Justin sie gut gelaunt vor.
„Nun ja, Herr Bundesrat … äh … das könnte man so nennen“, stotterte Richard verlegen, traute sich aber dann doch, kurz nach Vanessas Hand zu greifen. Was bei einem Paparazzo einen Jubelschrei auslöste. „Ich hab es!“ und er zeigte seinen Kollegen das Display seiner Kamera mit einem Strahlen auf dem Gesicht, als hätte er selbst eine Medaille gewonnen.
„Ist das noch normal?“, fragte Stutz mit Blick auf den Paparazzo halb sich selbst, halb Richard.
„Prinzen-Alltag“, meinte Richard selbstironisch.
„Eine Bronzemedaille ist aber nicht Alltag! Ich gratuliere, Hoheit!“, wechselte der Bundesrat wieder zum eigentlichen Anlass.
„Justin Bend, Olympiasieger. Wie fühlt man sich in so einem Moment?“, wandte sich der Minister für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport wieder Justin zu.
„Vielleicht so wie Sie, wenn es bei der Vereinigten Bundesversammlung heißt: Gewählt ist mit hundertzweiundzwanzig Stimmen: Christoph Stutz“, meinte Justin. „Herr Russi, wie ist ein Leben als Olympiasieger?“
„Jemandem in Madras kannst du zwar ausführlich beschreiben, wie ein Riesenslalom funktioniert, es wird ihm oder ihr nicht viel sagen, aber er oder sie wird aufhorchen, wenn du erzählst, du bist Olympiasieger. Ob du im Sackspringen oder Kirschsteinspucken diese Medaille gewonnen hast, ist nebensächlich. Der Titel bedeutet viel und ist ein Türöffner. Ohne diese Medaille damals wäre ich heute weder Co-Moderator beim Schweizer Fernsehen noch hätte ich von Präsident Putin diesen Auftrag gekriegt.“
Man applaudierte. Doch als Goldmedaillengewinner blieb Justin nicht die Zeit, über die Ansprache des ersten Schweizer Abfahrts-Olympiasiegers nachzudenken. Die Presse wollte schließlich ihre Interviews.
„Sag zu dem Dopingskandal und den Schneebällen nichts Verbindliches!“, flüsterte ihm Richard noch zu.
Also fand es Justin nur bedauerlich, dass ein paar einzelne Chaoten den Rennablauf gestört hatten, und zum Abbruch der Dopingkontrolle durch den Chef-DCO dürfe er sich nicht äußern, fand die Medaille natürlich das Größte, was in seinem Leben bisher passiert wäre, und bedauerte es, dass Jonny, der als Mentor der Jungen in der Mannschaft und als der Favorit zu diesen Olypischen Spielen angetreten wäre, vorzeitig hätte abreisen müssen.
Eine Zusammenkunft von Richard und seinem neuen Freundeskreis mit dem schwedischen Thronfolgerpaar wurde auch noch improvisiert. Die Begegnung benötigte Zeit, das Medieninteresse daran war für Justin beängstigend groß.
Man wechselte in die Mensa, nachdem das Thronfolgerpaar und die internationale Boulevardpresse gegangen waren.
Um zwanzig Uhr, als Richard gerade mit Prinz Charles telefonierte und sich die Prominenten wie Graber und Stutz anderen Personen und Athleten widmeten, blieb Justin Zeit, wieder nach Stas zu sehen. Der russische Guide schien besorgt, lächelte aber trotzdem kurz,
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