Der Silberbaron
Es hatte nicht den Anschein, als ob sie sich nach ihm verzehrte, und offensichtlich hatte sie sich mühelos damit abgefunden, dass er mit einer anderen verlobt war. Allerdings war er auch sicher, dass sie sich niemals auf eine unverbindliche Affäre einlassen würde. So etwas entsprach einfach nicht ihrer Natur. Das war eher seine Art, und daher waren ihre Kritik und ihr Misstrauen voll und ganz berechtigt.
Seine wilde Vergangenheit stand zwischen ihnen. Er und David waren wirklich arge Windhunde gewesen … Davids Heirat hatte auf ihn selbst allerdings auch eine mäßigende Wirkung gehabt. Er hielt sich nur noch selten mehr als eine Geliebte, war in den Spielhöllen nicht mehr oft zu Gast und betrank sich auch nur noch hin und wieder.
Er beneidete David: Dessen stilles Glück mit einer Frau, die er anbetete, hatte ihn zum Teil dazu veranlasst, selbst nach Jamaika zu fahren, statt einen Bevollmächtigten auszusenden. Sie waren so eng miteinander befreundet gewesen, dass er weggehen musste, damit sich die Bande zwischen ihnen ein wenig lockern konnten. Während er auf Jamaika den Verkauf seiner Plantagen beaufsichtigte, hatte er oft darüber nachgedacht, ob er zu den wilden Ausschweifungen zurückkehren wollte oder ob die jugendlichen Exzesse mit Davids Heirat ein Ende gefunden hatten.
Unter dem tropischen Sternenhimmel hatte er auch an Emma gedacht, hatte seine Gefühle aber als bloße Reaktion auf Davids Hochzeit abgetan. Die Vorstellung, dass er und sein bester Freund, die bisher alles zusammen unternommen hatten, sich auch noch gleichzeitig verlieben würden, war einfach absurd. Also hatte er sich nicht gestattet, sie nach seiner Rückkehr aufzusuchen und herauszufinden, ob sie inzwischen verheiratet war, und außerdem hatte sie ihn ohnehin nie leiden können, wie sein verletzter Stolz ihn erinnerte.
Jetzt wusste er, wie dumm er gewesen war. Ein einziger Blick auf die Frau im “Fallow Buck” hatte genügt, um ihn zu überwältigen. Mit den Augen hatte er sie nicht erkannt, aber sein Herz hatte sofort Bescheid gewusst … Und als er sie dann in der Eingangshalle in der South Parade erblickt hatte, war ihm klar gewesen: Das Schicksal hatte sie zusammengeführt. Sie hatte ihre außergewöhnlichen Augen aufgeschlagen und ihm einen Blick voll Panik zugeworfen, und das hatte in ihm ein unerhört seltsames Gefühl geweckt: eine willkommene Ruhe.
Nach drei rastlosen Monaten hatte er nun endlich das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein.
Wenig später klopfte es an der Tür. “Hol mich doch der Teufel”, murmelte er vehement und schüttelte ungläubig den Kopf.
Stephen schlenderte ins Zimmer und grinste übers ganze Gesicht. “Na, ist das ein Service? Da habe ich aber überschwänglichen Dank verdient!”
“Was ist mit deinem überschwänglichen Dank?”, fragte Richard trocken, Stephen daran erinnernd, dass er ein bisschen Dankbarkeit dafür erwarten konnte, dass er Amelia zurückgeholt und Stephen wieder zur Vernunft gebracht hatte.
Stephen errötete und murmelte: “Mmm, ja, vielen Dank. Ich gebe ja zu, dass ich ein fürchterlicher Narr gewesen bin. Aber jetzt ist alles vorbei … Jedenfalls überbringe ich ein paar Neuigkeiten”, wechselte er rasch das Thema. “Ross hat die Sache mit Yvette für dich erledigt. Yvette hat Segel gesetzt … und war offenbar sehr zufrieden mit der Bankanweisung. Ross lässt ausrichten, dass er seinen Bruder Luke in Brighton besucht und dich dann in ein paar Tagen in London trifft.”
Stephen hielt inne, um sich etwas Brandy einzuschenken. “Und jetzt die schlechte Nachricht. Mutter ist einer nervösen Erschöpfung nahe. Ich hab Amelias Abwesenheit erklärt, indem ich ihr weismachte, sie habe Emma ein Stück nach London begleitet, weil Emma – wo ist sie eigentlich? – weil Emma in London ein paar wichtige Angelegenheiten zu erledigen hat. Klingt gut, oder?”
Richard war indessen aufgestanden und blickte nun stirnrunzelnd aus dem Fenster. Die Postkutsche stand noch im Hof, daneben nun sein eleganter Wagen, doch von Emma keine Spur.
“Das hat die liebe Mama nicht nur irritiert”, drang Stephens Stimme zu ihm herüber, “ich soll dich auch pünktlich um neun Uhr zum Diner zurückbringen, denn der Herzog und die Herzogin und Lady Penelope sind zu Gast.” Stephen grinste. “Da wirst du sicher rechtzeitig erscheinen.”
Richard schickte den Herzog lauthals zum Teufel. Doch noch während er ihn verwünschte, schnürte ihm eine wachsende Unruhe die Brust zu.
“Ach
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