Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
gewöhnlich war ganz offenbar ihr Wesen! William wandte sich enttäuscht ab. Die Flamme in seiner Brust war auf einen Schlag erloschen, ganz so als hätte Maud einen großen Eimer Wasser darüber ausgegossen. Der Blick ihrer meerblauen Augen war so kalt und verachtend gewesen, ihr schadenfrohes Gespött so erniedrigend, und ihr Lachen hatte nur schmutzig geklungen. Nichts Engelsgleiches hatte ihr mehr angehaftet. Wie recht Robert doch in seinem Urteil über sie gehabt hatte! Er selbst dagegen war vollkommen blind vor Liebe gewesen!
Odon und Maud wandten sich ab, und William stolperte an seinen Platz. Er setzte sich neben Robert und legte den Kopf in die aufgestützten Hände. »I ch bin müde « , flüsterte er.
» V ielleicht hast du recht, und wir sollten schlafen gehen. « Robert klopfte ihm auf die Schulter und erhob sich.
Schweigend legten sie den Weg bis zu der Kammer zurück, in der sie untergebracht waren.
»S ie ist es nicht wert, dass du auch nur einen Gedanken an sie verschwendest « , sagte Robert sanft, als sie auf ihren Strohsäcken lagen.
»I ch weiß « , murmelte William, und doch ließ ihn der Gedanke an Mauds Spott und Hohn in dieser Nacht lange nicht in den Schlaf finden. Unruhig warf er sich von einer Seite auf die andere. Robert schlief bereits, und auch die anderen Männer, denen die Kammer zugeteilt worden war, hatten sich inzwischen zur Ruhe gelegt. Maud und Odon haben einander verdient, dachte William bitter und erhob sich leise. Er musste raus aus der stickigen, überfüllten Unterkunft! Vorsichtig stieg er über Robert und zwei weitere schnarchende Männer hinweg und schlich sich nach draußen.
Die Nacht war frostig und klar. William erschauderte. Er hatte seinen Umhang nicht mitgenommen. Nur mit dem Hemd bekleidet, würde er nicht lange im Freien bleiben können. Er warf einen prüfenden Blick zum Firmament und erschrak. Dort, wo er das Glitzern der Sterne erwartet hatte, leuchtete der Himmel glutrot. Die Nacht war noch nicht zu Ende, und für das Morgenrot war es noch lange nicht an der Zeit. Es sah beinahe so aus, als brenne es in der Ferne, und doch … William schüttelte den Kopf. Das Leuchten war ganz anders als alles, was er zuvor am Himmel gesehen hatte. Es war von so eigenartiger, beinahe göttlicher Schönheit, dass er es nicht fertigbrachte, seinen Blick davon abzuwenden. Nicht einmal als er die Rufe der Wachen vernahm, die den Schein nun ebenfalls entdeckt hatten, konnte er sich davon losreißen. Bald schon liefen weitere Männer herbei und deuteten nach oben.
»D as ist ein Zeichen! « , rief einer von ihnen. »E in göttliches Zeichen! «
William spürte, wie sich auch die feinsten Härchen auf seinem Körper aufrichteten. Was für ein Zeichen mochte das wohl sein? Ob das Blutrot gar ein furchtbares Unglück ankündigte? William bekreuzigte sich, und die anderen Männer taten es ihm gleich. Manche fielen gar vor Furcht auf die Knie und begannen, das Vaterunser zu murmeln.
William zitterte am ganzen Leib. Was auch immer das für ein Zeichen war – es war kalt draußen, viel zu kalt, um noch länger hier herumzustehen. Wenn er sich nicht den Tod holen wollte, musste er in die Kammer zurückgehen und sich aufwärmen. Nach einem letzten Blick auf das seltsame Licht ging er zurück und schlüpfte unter seine Wolldecke. Er schloss die Augen, sah das Licht aber noch immer. Bis in sein Inneres schien es zu leuchten.
Am nächsten Tag war das befremdende Himmelsglühen der vergangenen Nacht in aller Munde. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht davon auf der Burg verbreitet. Wer es gesehen hatte, beschrieb es den anderen mit salbungsvollen Worten, und wer es verpasst hatte, grämte sich deswegen. Auch Robert und die anderen jungen Männer waren aufgebracht, weil William nur mit den Schultern zuckte, als sie ihn fragten, warum er sie nicht geweckt habe.
Böse Vorahnungen und schaurige Gerüchte über das geheimnisvolle Glühen kursierten seitdem und trübten die zuvor so ausgelassene Stimmung.
Nur wenige Tage waren seit der wundersamen Erscheinung am Himmel vergangen, als ein Bote in den Hof preschte und zu de Tracey in die Halle stürzte. Mit aufgerissenen Augen und nach Atem ringend, berichtete er, dass König Richard auf dem Rückweg vom Heiligen Land in Gefangenschaft geraten sei.
Ungläubiges Gemurmel entstand unter den Anwesenden. Einige bekreuzigten sich erschrocken, andere redeten aufgeregt durcheinander.
»D as Himmelsglühen! « , rief jemand.
»E in
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