Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
noch das ganze Leben vor sich. Trotzdem fühlte er sich wie ein elender Verräter.
Als er nur wenig später in der Hoffnung, der hübschen Maud zu begegnen, durch die Burg strich wie ein verliebter Kater, sah er eine Schar Reiter kommen. Obwohl er ihn eine Ewigkeit nicht gesehen hatte, erkannte William einen von ihnen sofort. Odon! Schon die Art, wie er auf dem Pferd saß – als wäre er der Größte –, war unverkennbar. Kalt und unerwartet überfiel William die Erinnerung an den Geruch des Kerkers. Das Rasseln der Ketten des verrückten Leonard und die Hoffnungslosigkeit waren ihm mit einem Mal so gegenwärtig, als säße er noch immer im Verlies von Thorne. William spürte, wie ihn Übelkeit überkam. Er schloss die Augen und atmete zwei Mal tief ein.
»D u hast nichts verbrochen, er kann dir nichts mehr anhaben « , sprach er sich selbst leise Mut zu, machte auf dem Absatz kehrt und rannte hinkend zurück zu den Gesindeunterkünften, wo er Robert in die Arme lief.
»I ch wollte dich gerade suchen « , rief der erfreut. »W ir sollen uns für die Beize fertig machen. «
William antwortete nicht.
»M eine Güte, wie siehst du denn aus? Als wärst du dem Leibhaftigen über den Weg gelaufen. « Dann erstarb sein Lachen. »W ill, was ist mit dir? «
»O don ist hier « , flüsterte William heiser. Er fühlte sich noch immer elend.
»O h, nein, auch das noch! « Robert kratzte sich am Kopf und überlegte. »I st vielleicht besser, wir erzählen dem alten de Ferrers, dass du Ärger mit ihm hattest, ehe Odon es tut. «
»N ein. « William schüttelte energisch den Kopf. » E r wird nicht zu de Ferrers gehen. Und ich ebenso wenig. «
»W ie du meinst. « Robert zuckte mit den Schultern.
»I ch habe nichts getan, dessen ich mich schämen müsste, also werde ich auch nicht länger vor ihm davonlaufen. « William hinkte von dannen, sein Fuß schmerzte noch immer höllisch.
Als sie nach der Beize zur Burg zurückkehrten, war die Festtafel bereits aufgestellt. Was die Falken während der Jagd erlegt hatten, würden die Köche erst rupfen und ausnehmen müssen, bevor sie das Fleisch am nächsten oder übernächsten Tag zubereiten konnten. William und Robert nahmen, so wie es üblich war, mit den anderen Falknern an einer Seite der großen Tafel Platz.
An der Stirnseite thronte wie üblich der Burgherr in der Mitte. An der Seite, an die sein Eheweib gehört hätte, wäre sie nicht verstorben gewesen, saß Walkelin de Ferrers, denn er war der bedeutendste Ehrengast. Bei dem spektakulären Sieg Richards in Arsuf war er der Anführer einer Elitetruppe gewesen, die einen großen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet hatte. De Ferrers gehörte zu den engsten Vertrauten des Königs, auf dessen Heimkehr man noch immer vergeblich wartete.
William zog die Brauen zusammen, als er sah, dass Odon neben Maud Platz nehmen durfte, die auf der anderen Seite ihres Vaters saß. Was in aller Welt hatte ausgerechnet dieser Widerling dort zu suchen? Als das Fleisch aufgetragen wurde, begriff William. Der Junge, der Odon bediente, war derjenige, der behauptet hatte, sein Herr würde de Traceys Tochter heiraten!
William rang nach Luft. Der Gedanke, dass Odon dieses zauberhafte Wesen zur Frau bekommen sollte, hinterließ einen brennenden Schmerz in seinem Magen. Mit rabenschwarzem Gemüt sah er immer wieder zu ihr hinüber, und als Maud begann, Odon schöne Augen zu machen, riss William die Krume aus dem feinen Brot, das vor ihm lag, knetete sie zu einer festen Kugel und biss grimmig davon ab. Hatte Odon denn nichts Besseres zu tun, als Mauds Hand zu küssen? Wie einen Hühnerschlegel hielt er sie vor seinen Mund und knabberte daran!
Nichts und niemand konnte William von den beiden ablenken – weder das laute Gelächter noch die Gespräche um ihn herum, ja nicht einmal die Musik der Gaukler, die de Tracey beauftragt hatte, für die Unterhaltung seiner Gäste zu sorgen. Immer wieder musste er zu Odon und Maud hinschauen, obwohl er es kaum ertrug, sie so nah beieinander zu sehen. Was für ein einfältiger Tropf war er doch! Musste er sich ausgerechnet in Odons Braut verlieben? Ihr Lachen ging ihm bis ins Herz. Williams Kehle fühlte sich rau und trocken an. Odon küsste Mauds Hand so ungeniert, als hätte er nie etwas anderes getan; er tuschelte mit ihr und legte seinen Arm vertraulich um ihre Hüften. Als Maud errötete, kehlig lachend den Kopf in den Nacken warf und Odon verführerisch anblitzte, konnte William nicht mehr an sich halten,
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