Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
vorüber, Mylady. «
Eine weitere Wehe kündigte sich an. Alix de Hauville presste mit aller Kraft, dann war das Kind geboren.
»E s ist ein Mädchen « , sagte die Hebamme mit leichtem Bedauern in der Stimme. » A ber sorgt Euch nicht, Mylady, Ihr seid jung und werdet noch viele Söhne bekommen « , fügte sie beschwichtigend hinzu, während sie dem Kind mit dem Finger in den Mund fuhr, um es von möglichem Schleim zu befreien. Dann hob sie das Mädchen an den Füßen in die Höhe. Das Kind schrie aus voller Kehle. »E in kräftiges Mädchen, ganz der Vater! « , rief die Hebamme zufrieden aus.
Bei diesen Worten zuckte Alix de Hauville unwillkürlich zusammen.
Die Hebamme nabelte das Kind ab, wusch es, reinigte Nase und Ohren des Säuglings und betrachtete jeden Zoll seines Körpers. Als sie das Kind auf den Bauch legte, grub sich eine Falte auf ihrer Stirn ein. »S ehr ungewöhnlich! « , murmelte sie.
Alix de Hauville stemmte sich ein wenig hoch. »I st etwas mit ihr? « Sie blickte die Hebamme entsetzt an.
»A lle Finger und Zehen sind vorhanden, auch Augen, Nase und Ohren sehen aus, wie sie sollen. « Die Hebamme wiegte den Kopf hin und her. » N ur ihr Gesäß … « Sie brach ab.
»W as ist, sprich! « , bat Alix de Hauville.
»D ie Steißfalte ist merkwürdig schief! « , sagte die Hebamme. Ratlos zuckte sie mit den Schultern. »S o etwas habe ich noch nie gesehen! «
Alix de Hauville ließ sich in ihre Kissen zurückfallen. Sie ist Johns Kind, durchfuhr es sie. Ein bisschen wehmütig dachte sie an den hübschen Prinzen und seine schräge Gesäßfalte, über die sie so herzlich gelacht hatte. Einen kurzen Moment lang war sie glücklich, dass das Kind seines war. Dann bekam sie es mit der Angst zu tun. Gott würde sie für ihre Sünde bestrafen! Ein Klagelaut kam über ihre Lippen.
» S orgt Euch nicht, Mylady! « Die Hebamme lächelte verschmitzt. »E ine schiefe Nase wäre viel schlimmer! «
Alix de Hauville kicherte erleichtert. Die weise Frau hatte ja keine Ahnung, wie recht sie hatte! Eine offensichtlichere Ähnlichkeit wäre viel schwerer zu verheimlichen gewesen.
»H ier, nehmt Eure Tochter in den Arm! « Die Hebamme reichte ihr das gewickelte Kind.
Alix de Hauville sah das kleine Mädchen neugierig an. Es hatte flaumiges dunkles Haar und ähnelte weder ihrem Gatten noch John. Ob sich das noch ändern würde? Sofort fühlte sie die Angst wieder in sich aufsteigen. Was, wenn der dichte dunkle Schopf noch ausfiel und rötliches Plantagenet-Haar nachwuchs? Sie erschauderte.
»S ie hat Eure zarten Gesichtszüge, Mylady! « Die Hebamme nickte. »D ie Kraft ihres Vaters und die Schönheit ihrer Mutter! «
Alix de Hauville seufzte. Solange es irgend möglich war, würde sie verheimlichen, wessen Kind das Mädchen war. Vielleicht war das Schicksal ihr gnädig, und es kam niemals heraus.
» E uer Gemahl! « , riss die Hebamme sie aus ihren trüben Gedanken.
»M eine Liebste! « Richard de Hauville, der in die Kammer getreten war, war ganz offensichtlich gerührt, als er seine junge Frau mit dem Säugling in ihren Armen ansah.
Alix streckte ihm das Kind entgegen, damit er ihm die Stirn küsste und es somit in der Familie aufnahm.
»E s ist ein Mädchen! « Alix sprach leise und hielt den Blick gesenkt. Ihr Gatte musste glauben, dass sie sich dafür schämte, ihm keinen Sohn geschenkt zu haben.
»E in Mädchen! « Seine Stimme klang sanft und kein bisschen erzürnt. Unsicher nahm er das Kind an sich, betrachtete es aufmerksam und küsste es dann.
»S ie ist wunderschön, genau wie du, meine geliebte Alix! « Zärtlich streichelte er ihr über die Wange. » W ir sollten sie Marguerite nennen, nach meiner seligen Mutter « , schlug er vor und küsste das Kind auf die Stirn.
Bei St. Edmundsbury, 1185
W illiam sog die feuchtkalte Februarluft seiner Kammer zwischen den Zähnen ein, als er das schmuddelige Leinen abwickelte. Sein krummer Fuß schmerzte und blutete schon wieder an der Außenkante. Die Haut war an dieser Stelle immer trocken, deshalb bekam sie hier besonders leicht quälende Schrunden. Trotzdem band William den Fuß, nachts und wenn er in der Schmiede arbeitete, auf ein schmales Holzbrett, das ihm von der Ferse bis zu den Zehen reichte. So hoffte er, den Fuß mit der Zeit ein wenig zu begradigen.
Seit Wochen schon unterzog er sich dieser Tortur, doch noch immer schmerzte jeder Schritt, weil das Brett auf der Haut scheuerte. Auch das lange Stehen bei der Arbeit fiel ihm damit
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