Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
wurde Odons Blutrausch und der seiner Soldaten. Solange sie auf ihren Pferden saßen, fühlten sie sich unbesiegbar. Jeden Tag aufs Neue mordeten sie Mensch und Tier und brannten alles nieder, Häuser, Hütten und Felder. So schlugen sie eine blutige Schneise der Verwüstung durch das Land.
Nachts träumte Odon immer wieder von Carla. Ein gutes Jahr bevor er aus England fortgegangen war, hatte sie ihm einen kräftigen, gesunden Knaben geboren, an den er häufiger dachte als an den Sohn und Erben, den ihm die schöne, aber unerträgliche Maud wenige Monate später geschenkt hatte. Gut zwei Jahre waren die Jungen inzwischen alt, so sie noch lebten.
Die Gedanken an Carla und den kalten, dunklen Januartag, an dem er zum letzten Mal zu ihr gegangen war, quälten ihn ständig. Ohne anzuklopfen, hatte er damals das Haus betreten. Merkwürdig leer hatte es ausgesehen, beinahe so, als hätte Carla ihre Habseligkeiten gepackt.
Odon hörte ein Kind krähen und konnte nicht umhin, ein wenig Stolz zu empfinden. In freudiger Erwartung, Carla endlich wieder in die Arme schließen zu können, stürmte er die schmale Holztreppe nach oben. Er war schon fast bei ihr, als er sie plötzlich singen hörte. Blass und zittrig blieb er auf der Schwelle stehen und starrte in die kleine Kammer. Das Wiegenlied!, hämmerte es hinter seiner Stirn. Vertieft in den Anblick ihres Kindes, stand Carla neben dem Binsenkörbchen, das vom Deckenbalken herabhing, und schaukelte den Säugling. Es war der friedlichste, schönste Anblick, den Odon je gesehen hatte, und gleichzeitig der grausamste.
Als Carla ihn bemerkte, verstummte sie. »D u hättest nicht kommen sollen « , sagte sie tonlos.
»D as ist immer noch mein Haus. Und mein Sohn, nicht wahr? «
» D ein Haus « , bestätigte sie, »a ber mein Sohn. « Carla ließ das Körbchen auspendeln und ging einen Schritt auf Odon zu. »W ir werden noch heute von hier fortgehen. «
»U nd wohin? Du hast nichts, bist ein Niemand! « , begehrte Odon hilflos auf.
»I ch werde den Sauschlächter heiraten. «
» D as … das darfst du nicht « , stotterte Odon verwirrt.
»W er wollte es mir verbieten? Ich bin nicht deine Leibeigene; ich gehöre weder dir noch sonst jemandem. Und auch der Sauschlächter ist ein freier Mann. «
»U nd das Kind? «
»W ird er aufziehen, als wäre es sein eigenes. «
» D as werde ich nicht zulassen! «
»U nd was willst du dagegen tun? Mir den Bauch aufschlitzen wie der Frau im Wald? Oder macht es dir nur Freude, solange noch ein Kind darin ist? « Carla sah ihn voller Verachtung an.
Odon stand mit offenem Mund vor ihr und starrte sie an. Woher konnte sie das wissen? Seine Kehle fühlte sich trocken an. Er schluckte. Sein Kopf war wie leer gefegt. »I ch … ich habe sie nicht getötet « , verteidigte er sich, ohne sogleich zu begreifen, dass er damit zugab, die Waldfrau gekannt zu haben. Sein Herz hämmerte so hart gegen seine Brust, dass er den Wunsch verspürte, die Hand dagegenzupressen. »E s waren Bevis und … « Odon brach der Schweiß aus, obwohl Carlas Blick so eisig war wie ein zugefrorener Teich. »W enn ich versucht hätte, sie aufzuhalten, wäre ich die längste Zeit ihr Anführer gewesen. Und getötet hätten sie die Frau dennoch! « , begehrte er auf. Herrje, das musste Carla doch verstehen!
»S ie war hilflos, und du warst bewaffnet « , antwortete sie kalt.
»D ie beiden anderen aber auch « , verteidigte sich Odon. In Carlas Augen las er tiefen Abscheu.
»D u hast eine Frau und ihr Kind aus Feigheit sterben lassen? « Sie sah ihn ungläubig an, und ihre Stimme war nur noch ein entsetztes Flüstern. »W o war deine Ritterehre, als sie ihr das Kind aus dem Leib geschnitten haben? Hat sie vor Verzweiflung das Wiegenlied gesungen? Hast du mich deshalb geschlagen? « Carla stimmte erneut das Wiegenlied an, das sie zuvor für ihr Kind gesungen hatte.
Odon fühlte, wie seine hilflose Verzweiflung in feige Wut umschlug. »H alt das Maul! « , brüllte er außer sich. »S ie war kein Mensch, sondern eine Waldhexe! « Als Carla ihn schweigend und voller Abscheu betrachtete, sank Odon in sich zusammen. »D u darfst mich nicht verlassen, Carla! «
»I ch heirate den Schweineschlächter. Das ist längst abgemachte Sache. Lieber verkaufe ich ihm meinen Körper als dir meine Seele, du … Teufel. «
»C arla! « Odon brach ab. Die Frau, die er mehr liebte als jede andere, schien nur noch Verachtung für ihn zu haben.
Ohne ein weiteres Wort an sie zu
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