Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
ohne zu wissen, was er eigentlich suchte. Dann blieb er stehen und atmete tief durch.
»W adenwickel « , murmelte er.
Auch wenn sie Nesta nicht hatten retten können, schadeten sie William sicher nicht. Außerdem waren sie das einzige Heilmittel gegen Fieber, das er kannte. Er stürzte los, um kaltes Wasser zu holen, und hätte draußen im Hof beinahe Melvas älteste Tochter umgerannt. Sie schleppte sich mühsam voran, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und brach mit einem Mal zusammen. Robert hob sie auf und trug sie in die Hütte, in der ihre Mutter wohnte. Auch sie und zwei Gehilfen lagen krank danieder. Nur Jane, Melvas Jüngste, war gesund.
Robert ließ die ältere Tochter auf ihr Lager gleiten und hastete zurück zum Brunnen. Eilig schöpfte er Wasser und rannte zurück zum Haupthaus der Falknerei, in dem er mit William wohnte. Er wickelte die feuchtkalten Leintücher um die Waden seines Freundes, legte trockene darum und kühlte ihm mit einem nassen Lappen die glühende Stirn. Trotzdem schien das Fieber weiter zu steigen.
Auch auf der Burg waren inzwischen viele erkrankt, und niemand ging mehr seiner täglichen Arbeit nach. Wer gesund war, pflegte die Kranken oder begrub schon bald die ersten Toten.
William erbrach sich mehrmals jählings, faselte wirres Zeug vom Sterben und machte dünnflüssigen Stuhl unter sich, ohne etwas davon zu merken. Als er ohne Besinnung war, wusch Robert ihn mit einem Stück Leinen, das er immer wieder in kaltem Wasser auswusch. Er bettete William auf sauberes Stroh, kühlte ihm erneut die Stirn und flößte ihm einen Becher nach dem anderen von dem Kräuteraufguss ein, den er auf Janes Rat hin zubereitet hatte. Er nahm Williams Hand, so wie er vor Nestas Tod die ihre gehalten hatte, und betete lautlos.
Die Angst um seinen Freund schnürte ihm Hals und Brust zusammen. Tag und Nacht saß er an Williams Lager, aß nur, um bei Kräften zu bleiben, und erlaubte sich weder Schwäche noch Schlaf. Hin und wieder nickte er dennoch vor Erschöpfung ein. Fiel sein Kopf dann nach vorn, so schreckte Robert hoch, sprang auf und lief herum, um nicht wieder einzuschlafen. Er musste für William da sein! Doch weil die Hunde und die Falken nicht darben durften und der jüngere Gehilfe nicht allein mit allem zurechtkam, kümmerte sich Robert auch um die Tiere. Die Kraft zu jagen fanden sie nicht. Also schlachteten sie erst eine Ziege und später ein Schaf aus dem Besitz de Ferrers’ und fütterten damit die Tiere. Die Falken ließen sie währenddessen in der abgedunkelten Kammer stehen, säuberten nur den Sand unter ihnen von ihrem Kot und atzten sie regelmäßig.
Viele Menschen im Dorf und in den umliegenden Hütten starben an dem Durchfall. Auch Melva verschied nach einigen Tagen. Die erkrankten Gehilfen und Melvas älteste Tochter erholten sich, dafür wurde Jane, die jüngere Tochter, krank und starb binnen weniger Tage.
William konnte nichts bei sich behalten und magerte innerhalb kürzester Zeit in beängstigender Weise ab, doch Robert gab die Hoffnung nicht auf. Er wusch Williams knochige Beine, sein faltiges Geschlecht und sein eingefallenes Hinterteil ohne jede Abscheu, bettete ihn liebevoll auf das Lager und flehte Gott um Barmherzigkeit an. Obwohl William tagelang nicht ansprechbar war, kümmerte sich Robert bis zur Erschöpfung um ihn. Er sprach sanft mit ihm, beschwor ihn, um sein Leben zu kämpfen, malte ihm aus, wie schön es wäre, dem König eines Tages ihre Falken vorzuführen, und beichtete ihm eines Nachts leise weinend seine Liebe.
Am darauffolgenden Morgen wirkte Williams Gesichtshaut endlich weniger wächsern. Im Lauf des Tages wurde er rosiger und kam am Nachmittag gar zu sich. Er aß und trank wie ein Spatz, murmelte ein paar Worte des Dankes und schlief wieder ein.
Robert blieb weiter an seinem Lager sitzen. Er bewachte mit Argusaugen, wie Williams Lider zuckten, wurde unruhig, wenn sich der Kranke eine Weile nicht rührte, legte den Kopf auf die Brust des Freundes, um sein Herz schlagen zu hören oder seinen Atem zu spüren, und war erleichtert, unendlich erleichtert, sobald er Gewissheit hatte, dass William noch lebte.
»D u siehst furchtbar aus « , hauchte William am nächsten Tag mit zittriger Stimme und verzog das Gesicht zu einem matten Lächeln.
Robert fuhr erschrocken auf. Es dauerte eine Zeit, bis er begriff, dass William tatsächlich zu ihm gesprochen hatte. Verdutzt strich er sich über das Gesicht. Bartstoppeln bedeckten sein Kinn. Dann
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