Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
so feste Entschlossenheit zerbröckeln ließ wie eine Handvoll trockener Erde. Niemals, dachte William, niemals werde ich in seinen Augen Gnade finden. Nicht ich. Nicht nach dem, was im vergangenen Jahr in Ferrières mit seinem Falken geschehen ist.
Auch wenn er ihn damals nicht hatte bestrafen lassen, erinnerte sich William doch noch ganz genau an die tiefe Enttäuschung, der John Ausdruck verliehen hatte. Auch ohne dass ein Wort des Vorwurfs über seine Lippen gekommen war, hatten in seinen Augen Tadel und Verdruss gestanden. William hatte versucht, Erklärungen zu finden, und doch nicht gewusst, was er zu seiner Verteidigung hätte vorbringen sollen. Wie hätte er John auch begreiflich machen können, was geschehen war? Schließlich hatte er doch keine Zeugen für eine absichtlich herbeigeführte Vergiftung benennen können, und auch sonst wies nicht mehr als nur sein Verdacht auf Odons Mittäterschaft hin.
William seufzte. Seither hatte sich nichts geändert. Er würde sich also ein für alle Mal mit den Tatsachen abfinden müssen: König John würde ihn wohl fortan nur noch für einen mittelmäßigen Falkner halten, dem man keine außergewöhnliche Aufgabe anvertrauen konnte.
John war vergessen, sobald William einen der jüngeren Barone beobachtete, der Marguerite vom Pferd half. Williams Blick hüpfte hastig zwischen ihm und ihr hin und her. Marguerite kicherte. Es hörte sich hell und melodisch an, doch erfreute der Klang William nicht, sondern schnitt in sein Herz wie ein scharfes Jagdmesser. Der junge Mann lachte nun ebenfalls, verneigte sich galant, bot ihr seinen Arm und führte Marguerite zur Halle. William seufzte abermals. Wenn er sich nicht schleunigst etwas überlegte, würde er womöglich noch nicht einmal die Gelegenheit bekommen, ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Selbst wenn er in die Halle eingeladen wurde, um an dem Festmahl teilzunehmen, das für den König bereitet wurde, würde er zu weit unten an der Tafel sitzen, um mit Marguerite sprechen zu können.
William sog die laue Juniluft tief ein. Es dürstete ihn so sehr nach ihrer Nähe, dass es schmerzte. Er wollte sie zum Lachen bringen und sich in ihren Augen verlieren. Er musste sich unbedingt etwas einfallen lassen, um sie ein Weilchen ganz allein zu sehen. Während er noch über eine Möglichkeit nachsann, machte er sich auf den Weg zurück zur Falknerei.
Am Nachmittag, die Sonne stand noch nicht sehr tief, kamen Reiter zum Falkenhof. William stellte den Vogel ab, den er auf der Faust hielt, und wollte bereits hinausgehen, als ein junger Gehilfe hereingestürmt kam.
»D er König! « , rief er mit geröteten Wangen und sah William mit aufgerissenen Augen an. »E r will Euch sprechen. «
William musste unwillkürlich an den Tag denken, als König Henry zur Schmiede gekommen war. Genau wie der Junge jetzt war damals er in die Werkstatt seiner Mutter gerannt, um ihr die ungeheure Nachricht zu überbringen. Wie lange war das her! Es schien in einem anderen Leben gewesen zu sein.
»I ch komme « , sagte er ruhig. Seine Mutter hatte damals die Hoffnung gehabt, der König könne ein Schwert von ihr haben wollen, und war darum aufgeregt gewesen. Er dagegen hatte nichts von John zu erwarten.
Als William in den Hof trat, begann sein Herz wider Erwarten doch zu rasen. Marguerite war mitgekommen! Sie war so schön, dass es ihm den Atem nahm. Er zwang sich, den Mund zu schließen, den er vor Bewunderung offen stehen gelassen hatte, und den Blick von ihr abzuwenden. Eilig ging er auf König John zu.
»H erzlich willkommen in Oakham, Sire. « Er verbeugte sich tief und lange. Diesmal kannte er die richtige Anrede für John, denn » S ire « gebührte nur dem König. William verharrte einen Augenblick in der Verbeugung.
»E iner meiner Falken ist krank. Darum liegt Marguerite mir seit zwei Tagen in den Ohren. Sie meint, ich solle den Vogel bei dir lassen. « John runzelte die Stirn und kratzte sich die Nase. »S ie hat mir immer wieder versichert, dass der Falke, den ich dir seinerzeit in Ferrières anvertraut habe, zunächst gesundet ist. Auch wenn ich zugegebenermaßen nicht recht glauben kann, dass ihn jemand mit Absicht getötet hat. « Der König schüttelte den Kopf. »W er könnte einem so herrlichen Vogel so etwas Schreckliches antun? Außerdem weiß doch jedes Kind, dass ein solches Verbrechen mit dem Tod durch den Strick geahndet wird. «
William senkte den Blick. Odon jetzt zu bezichtigen, hätte keinen Sinn. Guy war tot. Man hatte
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