Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
ihr und bemerkte sie nicht. Als er erneut die Hand hob, um die inzwischen ohnmächtig zu Boden gesunkene Frau ein weiteres Mal zu schlagen, entriss Marguerite ihm so entschlossen die Peitsche, dass er erschrocken herumfuhr. Er sah aus, als wollte er sich jeden Moment auf sie stürzen, um ihr an die Gurgel zu gehen, aber Marguerite wich keinen Zoll zurück.
William und der Steward waren inzwischen ebenfalls hinzugekommen, sprangen von ihren Pferden und bauten sich drohend hinter Marguerite auf, ohne jedoch einzuschreiten.
Als der Dorfreeve Marguerite genauer ansah und begriff, wen er vor sich hatte, änderte er umgehend seine Haltung, wurde unterwürfig und brachte ein paar wirre Erklärungen zu seiner Verteidigung vor.
»I hr wagt es, diese arme Frau im Namen meines Gemahls beinahe zu Tode zu prügeln? « , fuhr Marguerite ihn an. » W enn sie etwas getan hat, ist sie uns oder einem Richter vorzuführen. Wie viele Schläge hat sie von Euch bekommen? «
Als er nicht antwortete, fragte Marguerite strenger nach: »W ie viele? «
»E r hat ihr zwanzig angedroht. Zwölf hat sie bereits bekommen. Bitte, Mylady, sie würde weitere Schläge nicht überleben « , mischte sich ein besorgt aussehender Mann ein und warf einen bekümmerten Blick auf die junge Frau, die nun leise wimmerte. »B itte! « , flehte er.
» D u bist Ralph Redbeard, nicht wahr? «
»I hr erinnert Euch, Mylady? «
Marguerite lächelte. »D ein flammend roter Bart hat dich verraten. Ich hatte schreckliche Angst vor dir, als ich klein war. « Ein weicher Zug lag plötzlich um ihren Mund. »D eine Tochter? « , fragte sie sanft.
Der Mann nickte. »J a, Mylady, meine Jüngste. Ich flehe Euch an, lasst Gnade walten! «
» N imm sie mit nach Hause! Ich werde später vorbeikommen und nach ihr sehen. «
Ein Aufatmen ging durch die Menge.
Während sich Ralph Redbeard beeilte, seine Tochter aufzuheben und fortzutragen, sah Marguerite William an, der zustimmend nickte und sie aufmunternd anlächelte. Obwohl die Menge ganz offensichtlich erleichtert war, lagen noch immer Wut und Angst in der Luft. Alle fragten sich wohl, ob die Lady den Reeven ungeschoren davonkommen lassen würde. Einige der Dorfbewohner sahen ihn hasserfüllt an und zogen den Kreis um ihn enger.
Bebend vor Angst, fiel der Mann nun vor Marguerite auf die Knie, blickte abwechselnd sie, dann wieder William und den Steward an. Doch keiner von beiden rührte sich.
»D u hast dem armen Mädchen kaum das Hemd auf dem Leib gelassen mit deinen Schlägen. Ich würde dich zu gern selbst bestrafen, aber ich bin nur eine schwache Frau, und wir wollen es doch so gerecht wie möglich machen « , fuhr Marguerite ihn an. Dann warf sie die Peitsche dem überraschten Steward zu. »I hr hättet wissen müssen, welches Unwesen der Dorfreeve hier treibt. Darum züchtigt Ihr ihn nun. «
»A ber, Mylady, ich … Mylord, Ihr … « , rief der Reeve. Sein Blick hastete zwischen den beiden hin und her. Als er jedoch das wütende Blitzen in ihren Augen sah, verkniff er sich weitere Worte.
Die Wucht des ersten Schlages traf ihn unerwartet. Er schrie und bäumte sich auf. Nach dem dritten Hieb winselte er wie ein Hund und bettelte um Schonung.
»H at sie um Erbarmen gefleht? « , fragte Marguerite streng.
Der Reeve nickte voller Angst.
Ohne etwas hinzuzufügen, gab Marguerite dem Steward ein Zeichen, und er holte erneut aus, um die Peitsche ein weiteres Mal auf ihn niedersausen zu lassen.
»D as reicht « , raunte William dem Steward nach einem knappen Dutzend Schläge zu, ging zu Marguerite und legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm.
Der Dorfreeve lag am Boden und wimmerte.
Obwohl sie ihn nicht selbst gezüchtigt hatte, stand Marguerite der Schweiß in dicken Perlen auf der Stirn.
Der Steward hatte seine Kräfte nicht geschont; beinahe hätte einem der Dorfreeve leidtun können. Doch der Ausdruck von Erleichterung und Genugtuung auf den Gesichtern der Dorfbewohner zeigte, dass er kein Mitleid verdient hatte.
Marguerite straffte die Schultern und zeigte keine Schwäche. Trotzdem war sie dankbar, dass William ihr zur Seite stand. Er hatte ihr die Freiheit gelassen, als sie diese gebraucht hatte. Nun aber ergriff er mit fester Stimme das Wort:
»D ieser Mann ist die längste Zeit Dorfreeve gewesen « , sagte William an den Steward gewandt.
In banger Erwartung sahen die Männer, Frauen und Kinder abwechselnd Lord und Lady an.
»W ir nehmen ihn mit. Fesselt ihn « , wies Marguerite den Steward an.
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