Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
erleichtert, dass Redbeard es fertigbrachte, Mitleid mit dem Kind zu haben.
»B ringt sie zu mir, gleich! « , rief Marguerite.
Redbeard sah sie erschrocken an, und die Dorfbewohner tuschelten aufgeregt.
»D as ist sie. « Zögerlich schob man ihr ein etwa zehnjähriges, schüchternes Mädchen hin, das beschämt zu Boden sah. »I hr Name ist Alice. «
» B is wir entschieden haben, was aus ihrem Vater wird, werde ich sie mitnehmen « , erklärte Marguerite, legte die Hand auf den Kopf des Mädchens und beugte sich hinab. »H ab keine Angst, Alice, dir wird nichts geschehen. «
Der Steward nahm das Kind zu sich aufs Pferd, dann ritten sie los.
Nur ein einziges Mal sah sich Alice nach ihrem Vater um, der an einem Strick festgebunden war und zu Fuß hinter ihnen herlaufen musste.
Am Abend berieten William und Marguerite mit dem Steward darüber, welche Strafe sie für das Vergehen des alten Dorfreeven verhängen sollten, und beschlossen, ihn davonzujagen. Jeder in Roford sollte wissen, dass William ein guter Herr war, der eine solche Ungerechtigkeit nicht durchgehen ließ. Alice, die für die Schandtaten ihres Vaters nichts konnte, durfte wählen, ob sie mit ihm gehen oder als Magd auf dem Gutshof bleiben wollte.
»E r braucht mich « , sagte das Kind zaghaft. »O hne mich käme er nicht zurecht. Ich habe für ihn gesorgt, seit meine Mutter gestorben ist. Ich kann ihn nicht allein lassen. «
Marguerite fiel es schwer, sie gehen zu lassen, doch William bestand darauf, auch wenn ihm das Kind ebenfalls leidtat.
»D u hast sie vor die Wahl gestellt, anstatt zu bestimmen, was gut für sie ist. Nun kannst du nicht anders, als sie ziehen zu lassen. «
***
Von jenem Tag an waren sich William und Marguerite auch in ihrer Obliegenheit als Lord und Lady von Roford näher als zuvor. Jeden Abend, wenn sie erschöpft am Feuer saßen, erzählten sie einander von den Schwierigkeiten, auf die sie im Lauf des Tages gestoßen waren, und holten den Rat des anderen ein.
William wusste, dass er noch viel zu lernen hatte und Marguerite ihm dabei eine gute Beraterin sein würde. Auch wenn er nicht wie sie in seine Stellung hineingeboren und nicht darauf hin erzogen worden war, so hatte ihm die Haltung der Dorfbewohner doch gezeigt, dass er auch keiner von ihnen war. Er war nun ein Lord, aber er konnte sich auf keine Familienbande berufen, nicht einmal auf seinen Vater, denn weder seine Mutter noch König John hatten das Geheimnis um seine Herkunft gelüftet. Man hatte ihm nicht die nötige Erziehung angedeihen lassen, um ein Lord zu werden. Er hatte weder gelernt, mit der Lanze oder dem Schwert zu kämpfen, noch konnte er schreiben, lesen oder rechnen. Darum würde er noch viel lernen müssen, um sich vor den anderen Lords behaupten zu können. William wollte um jeden Preis verhindern, von ihnen als Emporkömmling gesehen und mit Missachtung gestraft zu werden.
Er ließ den Dorfgeistlichen kommen, um den Kampf mit den Buchstaben aufzunehmen, und bat einen seiner jungen Ritter, ihn mit den Waffen vertraut zu machen.
Der Steward, dem er nach den Vorkommnissen mit dem Dorfreeven zunächst misstraut hatte, erwies sich als ehrlich und treu. Doch es war vor allem Marguerite, die sich als unverzichtbare Stütze auf seinem Weg zum Lord herausstellte.
Sie hatte während der Jahre, die sie als Johns Mündel bei Hof verbracht hatte, viele bedeutende Menschen, Ritter, Barone und Kirchenmänner, kennengelernt. Und weil sie John ständig Fragen über alles und jeden gestellt hatte, kannte sie sich bestens in den komplizierten Lehens- und Familienbanden der Barone aus.
Marguerite wusste, wer wem versprochen war, welche Familien einander zugetan waren, welche sich hassten und warum dies so war. Sie hatte aufmerksam zugehört, wenn sich John mit seinen Männern besprochen hatte, und wusste, welche Städte und Ländereien besonders wichtig für eine bestimmte Grafschaft oder sogar für das Königreich waren. Außerdem hatte sie ein untrügliches Gespür dafür, welche Barone mit Vorsicht zu genießen oder besser zu meiden waren, wer vor Hinterhältigkeit nur so strotzte und wem man unter Umständen vertrauen konnte.
» U nser König erkennt nicht immer, wer ihm Gutes will « , erklärte sie William eines Abends bei der Erläuterung bedeutender Verflechtungen zwischen einflussreichen und weniger bedeutenden Familien. »L eider umgibt er sich besonders gern mit Männern wie deinem besonderen Freund Odon und merkt nicht, dass sie seine Nähe
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