Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
die Angst in seinem Blick, die ihn verriet. Er fürchtete wohl, seine Frau und ihren Sohn zugleich zu verlieren. Isaac muss die innige Verbindung zwischen deiner Mutter und mir in diesem Moment ebenso bemerkt haben wie eine gewisse Ähnlichkeit zwischen uns beiden. « Er deutete auf William und sich selbst. »Er hat deine Mutter und dich sicher sehr geliebt, aber nicht mehr als ich. An jenem Tag in ihrer Werkstatt, sah ich, dass ihr Traum von der eigenen Schmiede in Erfüllung gegangen war. Ihr hattet ein Heim, wie ich es euch niemals hätte bieten können. Da begriff ich, dass ich kein Recht hatte, irgendetwas von ihr einzufordern. «
William blieb stehen und sah den Maréchal ungläubig an. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. »W ollt Ihr damit sagen … « Mehr brachte er erst einmal nicht heraus.
»I ch weiß, das kommt überraschend. « Der Maréchal nickte.
William kämpfte mit der Enge, die ihm Kehle und Brust zuschnürte. Der Maréchal war sein Vater!
Ausgerechnet der Mann, von dem er so oft geträumt hatte, dass er kommen würde, um ihn zu sich zu holen! William rang nach Luft. Einen einzigen Nachmittag hatten sie miteinander verbracht, als er ein Kind gewesen war, einen einzigen! Es war der schönste Tag in seinem jungen Leben gewesen und der Anfang seiner Liebe zur Falknerei. Trotzdem war es zu wenig gemeinsame Zeit, um sich nah zu sein. Isaac hatte sich all die Jahre um ihn gekümmert und war immer für ihn da gewesen!
William glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ungläubig starrte er ins Leere.
»B itte, William, du musst mir glauben, dass … «
»I saac ist der einzige Vater, den ich je hatte « , unterbrach er den Maréchal, ohne ihn anzusehen. »D as habe ich auch meiner Mutter gesagt, als wir ihn zu Grabe getragen haben und sie mich fragte, ob ich noch immer wissen wolle, wer mein Vater sei. Sie hat es mir all die Jahre nicht verraten wollen, obwohl ich sie immer wieder gedrängt habe, es mir doch zu erzählen. « William lachte verzweifelt auf. »E rst als Isaac tot war, wusste ich, dass er mein wahrer Vater gewesen ist. Der Mann, der mir gemeinsam mit Jean Holzschuhe gefertigt hat, damit mein Fuß ein wenig gerichtet wird. Und dabei ist es nicht einmal von Bedeutung, ob es etwas genutzt hat. Das Einzige, das zählt, ist, dass er es tat, um mir zu helfen, und nicht, weil er sich für mein Hinken geschämt hat. « Er schwieg einen Moment und schien in die Vergangenheit zu schauen. »J a, ich erinnere mich noch gut an Euren entsetzten Blick, damals, als Ihr das erste Mal zu uns in die Schmiede gekommen seid. So wie mich hattet Ihr Euch Euren Sohn wohl nicht vorgestellt! « William hörte selbst, wie bitter seine Worte klangen, doch er konnte nicht anders.
Der Maréchal räusperte sich. »A ls ich dich zum ersten Mal sah, fühlte ich mich auf merkwürdige Weise in eine andere, lange vergangene Zeit zurückversetzt. Ich vermeinte beinahe, den Duft meiner Amme zu riechen und ihre Stimme zu hören. Und als der Blick deiner Mutter mir sagte, dass du mein Sohn bist, begriff ich, dass ich mich in dir wiedererkannt hatte. Auch Baudouin hat sofort durchschaut, wer du bist. Darum hat er nicht verstanden, dass ich nicht freundlicher zu dir war. Er wusste von meiner großen Liebe zu Ellen und hat mich gerügt, weil ich dich nicht in meine Arme geschlossen habe. «
»I hr habt eben keinen Krüppel als Sohn erwartet « , entgegnete William kratzbürstig.
»N ein, William. Ich habe überhaupt keinen Sohn erwartet. Und als ich sah, dass du hinkst, da war ich nicht wütend auf dich . Ich zürnte Gott und mir selbst, weil es nicht gerecht ist, dass er dir die Strafe für meine Sünden auferlegt hat. «
»N un, wie Ihr seht, lebe ich damit, und das recht gut « , erwiderte William noch immer gekränkt, doch der Maréchal war so abwesend, dass er es nicht einmal gehört zu haben schien.
»W ir haben gewusst, dass es uns nicht bestimmt ist, mehr als ein kurzes Stück unseres Weges gemeinsam zu gehen « , fuhr er nachdenklich fort. »W ir hatten große Träume, die aberwitzig und unerreichbar schienen. Darum haben wir nicht zugelassen, dass uns die Liebe daran hindert, sie wahr werden zu lassen. Und glaub mir, es war weder für deine Mutter noch für mich leicht, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Was glaubst du wohl, warum sie die Normandie verlassen hat, ohne mir zu sagen, dass ich Vater werde? «
»V ermutlich wusste sie, dass es Euch gleich gewesen wäre « , antwortete William
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