Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
Ralph die hölzerne Treppe an der Außenmauer des Bergfrieds hinunterkam, um den Falkner und seine Männer in Empfang zu nehmen, kündigte das Horn des Turmwächters die Ankunft der erwarteten Gäste an.
Kurz darauf war das Stampfen von Pferdehufen auf der Holzbrücke zu vernehmen. Ranulf de Blondeville – der junge Earl of Chester –, Peter de Sandicare, Walter de Hauville und sein Neffe Richard, der kaum jünger war als sein Onkel, sowie William de Vere, der nicht nur Bischof von Hereford war, sondern auch ein Verwandter des Fechtmeisters, sprengten in den Burghof. In ihrer Begleitung befanden sich drei Damen, mehrere Jagdgehilfen, Pagen und Knappen.
Die erhitzten Pferde der Barone tänzelten nervös, als sie im Burghof gezügelt wurden. Sir Ralphs Hunde spürten, dass eine Jagd bevorstand. Sie kläfften laut vor Aufregung und zerrten so heftig an ihren Leinen, dass die Hundeführer sie kaum halten konnten.
Beim Anblick der edel gekleideten Lords und Ladys, der herrlichen Pferde und der prachtvollen Vögel, die sie mit sich führten, fühlte sich William eigenartig fehl am Platz. Wie war er, der Sohn einer Schmiedin, nur auf den Gedanken gekommen, zu einer solch erlauchten Gesellschaft zu gehören? Die meisten Falkner waren aus traditionsreichen Familien, viele von ihnen besaßen Güter und häufig sogar einen Titel. Er dagegen war ein Nichts, ein Bastard, dessen Vater nichts von ihm wissen wollte, ihn nicht einmal anerkannte. Ein Niemand also, das hatte ihm Odon erst kürzlich wieder ganz deutlich zu verstehen gegeben. William knetete die Zügel seines Pferdes. So nervös wie jetzt war er nicht einmal an dem Tag gewesen, an dem König Henry II. auf der Suche nach Blanchpenny in die Schmiede gekommen war. Er betrachtete jeden einzelnen Gast und bemerkte, dass einer der Männer ihn mit durchdringendem Blick anstarrte. William konnte sich nicht daran erinnern, ihm schon einmal begegnet zu sein, und wandte sich unbehaglich ab.
Sir Ralph begrüßte seine Gäste aufs Herzlichste. Er klopfte Schultern, küsste Hände, ließ Wein und Most zur Erfrischung reichen und mahnte schließlich voller Vorfreude zum Aufbruch. Auch die Damen lud er ein, an der Beizjagd teilzunehmen, doch weder die Burgherrin, die sich über die Abwechslung durch Damenbesuch ganz offensichtlich freute, noch die Ladys, die bereits seit der ersten Tagesstunde unterwegs waren, hatten das Bedürfnis, einen halben Tag oder länger auf dem Rücken ihrer Pferde zu verbringen. Sie zogen es vor, sich die Zeit mit Naschereien, Stick- oder Näharbeiten und dem Austausch von Neuigkeiten zu vertreiben. Sibylle, die beschlossen hatte, bei den Ladys zu bleiben, winkte William und Robert aus der Entfernung zu.
Mit einem dezenten Nicken gaben die beiden ihr zu verstehen, dass sie es gesehen hatten.
Odon war aufgekratzt wie ein junger Gockel im Hühnerstall. Aufmerksamkeit heischend suchte er ständig die Nähe des jungen Earl of Chester.
Wie William von Sybille wusste, hatte dieser erst vor kurzem den Ritterschlag erhalten. Er musste also ein wenig älter als Odon sein. Ob er auch so eingebildet und dumm war wie die jungen Knappen und der Neffe des Burgherrn? William nahm sich vor, die feinen Lords genau zu beobachten, um sich ein Bild von ihnen machen zu können.
»E s heißt, Ihr werdet im kommenden Jahr Constance of Britany, die Witwe von Prinz Geoffrey, ehelichen « , begann Odon so laut mit dem Earl zu plaudern, dass es alle um sie herum hören mussten. Er sah den Earl mit einem breiten Grinsen an und bleckte die Zähne.
William fragte sich, ob Odon sich hervortat, um dem Earl zu schmeicheln, oder ob er mit dem illustren Gast seines Onkels Eindruck bei seinen Kameraden schinden wollte. Wenn der junge Earl demnächst in die königliche Familie einheiratete, konnte es Odon eines Tages noch von großem Nutzen sein, eine freundschaftliche Beziehung mit ihm zu pflegen.
William atmete tief ein. Der Gedanke, Menschen nach ihrem Nutzen zu beurteilen, war ihm von Grund auf fremd, ja gar zuwider. Doch sowohl von seiner Mutter als auch von Sibylle wusste er, dass die hohen Herren üblicherweise so dachten und entsprechend handelten.
»G anz recht, mein junger Freund « , antwortete Ranulf de Blondeville mit einem Anflug von Arroganz und bestieg sein Pferd. Er war weder besonders groß noch stattlich oder gar gut aussehend zu nennen, doch er hatte einen jungenhaften Charme, dessen Wirkung auf das andere Geschlecht er sich offensichtlich bewusst war, denn er
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