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Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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vergeblich: Ihr Vater war nicht im Himmel – er lag hier unten, in der nassen, dunklen Erde.
    Sicher wird ihm kalt werden, schoss es ihr durch den Kopf. Er brauchte eine Decke! Sie ließ die Hand ihrer Kinderfrau los und lief los.
    »L ass sie nur « , hörte sie ihre Mutter sagen und rannte weiter über die große grüne Wiese, dann um die Ecke, zum Eingang des Gutshauses hinein und die Treppe hinauf. Am besten die weiche aus Fell, die auf ihrer Schlafstelle in der Kammer lag.
    » E r wird nie mehr zur Jagd gehen « , hatte ihre Mutter in der vergangenen Nacht weinend erklärt und Marguerite fest in ihre Arme genommen. Ihr Vater würde sich also selbst keine Decke mehr fertigen können. Nie mehr.
    Marguerite musste sich wie üblich mit dem ganzen Gewicht ihres zarten Körpers gegen die schwere Eichentür werfen, ehe diese knarrend nachgab. Die Kammer war dunkel, kühl und roch nach Schlaf. Marguerite war es gewöhnt, sich mit vorsichtigen Schritten zu ihrer Schlafstatt zu tasten, wenn sie kein Licht hatte. Sie raffte die weiche, dicke Decke zusammen. Warum musste sie so schwer sein? Zu schwer für ein kleines Mädchen wie sie, dachte sie verzagt. Marguerite zog die Nase hoch. Sie fror und fühlte sich einsam. Zum Trost legte sie ihre Wange an die Felldecke und schloss einen Augenblick die Lider. Warum nur konnte sie sich nicht an das Gesicht ihres Vaters erinnern? Es war weg, einfach ausgelöscht.
    Heiße Tränen liefen über ihre Wangen. Unwillig wischte sie mit der Decke darüber. Sie war herrlich weich und vertraut und trotzdem nur ein schwacher Trost. In den vergangenen Nächten war Marguerite nicht allein auf ihrem Lager geblieben, sondern zu ihrer Mutter in die hohe Bettstatt mit den schweren Vorhängen geklettert. Dort hatte sie sich angekuschelt und ihre Decke nicht gebraucht. Sie würde also gut ohne sie zurechtkommen.
    Marguerites Augen hatten sich inzwischen an das diffuse Licht der Kammer gewöhnt, und ihr Blick fiel auf das goldene Glöckchen, das an einem ledernen Band neben ihrem Lager hing. Ihr Vater hatte es ihr erst vor wenigen Tagen geschenkt. Es war die Bell eines Falken. Ihr Schellen war laut, doch für ihren Vater war ihr Klang wie Musik gewesen, denn die Falknerei hatte ihn mehr fasziniert als alles andere. Marguerite nahm das Band und hängte es sich um den Hals. Dann griff sie beherzt nach der schweren Felldecke und zog sie hinter sich her, aus der Kammer hinaus, die Treppe hinunter bis zur Tür. Erst dort versuchte sie, die dicke unhandliche Decke wieder auf den Arm zu nehmen. Eine Ecke fiel dabei zu Boden, schleifte durch den aufgeweichten Dreck des Hofes und brachte Marguerite beinahe zu Fall, als sie darauf trat. Sie darf nicht nass werden!, dachte sie erschrocken und tastete besorgt nach dem herunterhängenden Zipfel. Dann lief sie über die große Wiese. Sie stolperte immer wieder, weil sie wegen der aufgetürmten Decke den Boden vor sich nicht sehen konnte.
    »W as tust du denn da? « , rief ihre Mutter erstaunt und eilte ihr entgegen.
    »V ater soll es schön warm haben! « , sagte Marguerite. »H ilfst du mir, ihn zuzudecken? Sie ist so groß! «
    Alix de Hauville nickte mit Tränen in den Augen. »S icher, mein Herz. «
    » D ie Bell behalte ich, bis ich groß bin. Dann habe ich auch Falken! « , erklärte sie ihrer Mutter mit geradezu trotzigem Unterton.
    »D as wirst du, meine Kleine. « Alix de Hauville verharrte noch eine ganze Weile stumm am Grab ihres Gatten.
    Marguerite blieb neben ihr und klammerte sich mit klammen Fingern an die warme, weiche Hand ihrer Mutter. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war noch immer bitterkalt. Marguerite konnte ihre Füße kaum noch spüren, und die Gänsehaut am Körper schmerzte sie bereits, trotzdem rührte sie sich nicht. Erst als auf ein Zeichen ihrer Mutter einer der Knechte begann, Erde auf das Grab ihres Vaters zu schaufeln, sah sie erschrocken auf und lief schluchzend davon.
    Sie rannte, so schnell sie konnte, obwohl der Atem in ihrer Brust heftig brannte, und hielt erst an, als sie ihren Lieblingsbaum erreichte. Er war hoch, fand sie, doch aus Erfahrung wusste sie, dass er leicht zu besteigen war, denn seine Äste verzweigten sich nicht weit über dem Boden. Marguerite war schon oft hinaufgeklettert, niemals sehr weit hinauf, denn ihre Kinderfrau ermahnte sie für gewöhnlich. Diesmal aber war Marguerite allein und wollte ganz hinauf nach oben. Den Himmel wollte sie berühren, um ihrem Vater nahe zu sein. Sicher war er jetzt dort

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