Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
damals zurückgelassen wurden? Aber auch deine Art wird nicht älter als höchstens fünfhundert Jahre. Jada’Maars Verschleierung liegt aber bereits eintausend Jahre zurück.«
Magister Eulertin schwebte auf dem Blatt elegant über ein Dornendickicht hinweg, während Fi und Nikk einige Kratzer hinnehmen mussten. Der Meermann stieß einen leisen Fluch aus.
»Aber wenn er nicht von hier oder aus Albion stammt, woher soll er dann kommen?«, fragte Fi.
Der Magister verlangsamte seine Geschwindigkeit. »Nicht alle Angehörigen deines Volkes haben sich in die Wälder des Westens zurückgezogen. Es ist zwar ein gut gehütetes Geheimnis, aber einige wenige Elfenstämme leben immer noch in den Menschenlanden und halten so den Kontakt zwischen uns und den Elfen des Westens. Man trifft sie nur sehr selten.«
»Wie bitte? Warum habe ich noch nie von ihnen gehört?«
»Abgesehen von deinem Erinnerungsverlust?« Eulertin lächelte nachsichtig. »Vielleicht hast du noch nie von ihnen gehört, weil du noch recht jung bist, Fi? Die älteren deines Volkes wissen ganz sicher davon. Eigentlich sollten wir uns besser die Frage stellen, was dieser Elf hier wollte.«
»Offenbar das Holz der Golderlen«, stellte Fi nachdenklich fest.
»Darf ich fragen, wie Ihr nach Jada’Maar gelangt seid, Magister?«, meldete sich Nikk zu Wort.
»Es existieren noch andere Wege in die Stadt, Königliche Hoheit«, antwortete der Däumling. »Ich spreche von Feenpfaden, die einem Elfen durchaus bekannt sein könnten. Ich selbst hatte allerdings beide Male Hilfe.«
»Beide Male?« Fi half Nikk über eine moosbedeckte Wurzel, die in den Kanal reichte.
»Mein erster Aufenthalt in dieser Stadt liegt vierzehn Jahre zurück«, klärte sie der Däumling auf. »Die Feenkönigin hatte mir zu diesem Zweck eine Zauberkutsche zur Verfügung gestellt, deren Gespannführer, sagen wir einmal, ebenso unterhaltsam wie kenntnisreich waren.«
Vierzehn Jahre? Das war zu der Zeit, als Berchtis an den Küsten die Leuchtfeuer entzündet hatte. Fi war sich nun mehr als sicher, dass der kleine Magister auch an den damaligen Ereignissen beteiligt gewesen war. Allmählich fragte sie sich, wer dieser Däumling wirklich war.
»Aber auch Kriwa kennt den Weg«, führte der Winzling weiter aus. »Unser altes Mädchen war schließlich schon auf der Welt, als die jungen Völker noch in der Wiege lagen.« Eulertin lachte. »In ihrem langen Leben war sie Zeugin von Geschehnissen, die weiter zurückreichen, als wir alle uns überhaupt vorstellen können. Sie war es, die mich diesmal in die Baumstadt getragen hat, was ich ihr übrigens hoch anrechne.«
Fi verlangsamte ihre Schritte, da das, was sie für eine hohe Hecke gehalten hatte, nun unmittelbar vor ihnen aufragte. Nur, dass es keine Hecke war, sondern ein riesiges Vogelnest.
»Wie bedauerlich«, seufzte der Däumlingszauberer, »aber die Lyren sind offenbar gerade auf Patrouillenflug. Ich hätte euch eines dieser stolzen Geschöpfe gern aus der Nähe gezeigt.«
»Mir reicht es, wenn Ihr uns Berchtis’ Spiegel zeigt«, sagte Nikk außer Atem. Er hatte sich immer noch nicht richtig an seinen Elfenkörper gewöhnt. »Mir läuft die Zeit davon. Um Mitternacht steigen die Händlerinnen meines Volkes aus dem Meer. Sollte die Feenkönigin die Krakenbleivergiftung nicht bestätigen, muss ich rasch zu ihnen. Dann werde ich auch die Erkrankung meines Vaters nicht länger geheim halten. Vielleicht werde ich sogar mit ihnen gemeinsam ausschwärmen, um den Lingustentang so etwas schneller zu finden.«
»Ich verstehe Eure Ungeduld, Prinz. Aber habt Vertrauen, die Feenkönigin weiß immer Rat.« Eulertin schwebte am Lyrennest vorbei und bedeutete seinen Begleitern, ihm zu folgen.
Fi hätte zwar auch die Ankunft der Händlerinnen des Meervolkes gern miterlebt, doch die Aussicht, in Kürze Berchtis gegenüberzutreten, erregte sie noch mehr. Die Feenkönigin war angeblich so alt wie die Welt.
Gemeinsam mit ihren Begleitern umrundete Fi das gewaltige Vogelnest und blieb beeindruckt stehen. Unmittelbar hinter dem Nest befand sich ein nahezu kreisförmiger schwarzer See, auf dessen glatter Oberfläche sich hundertfach die Sterne des Nachthimmels spiegelten. Das Wasser lag unberührt da und wurde nicht einmal von dem schwachen Wind gekräuselt, der sanft durch die Baumkronen wehte. Unzählige Seerosen säumten das Ufer und reckten ihre weißen Blüten dem Mondlicht entgegen.
Keine zwanzig Schritte vom Lyrennest entfernt mündete der alte
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