Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Publikum gab, den die Darbietung nicht zutiefst bewegte. Als der letzte Strich seiner Geige verklungen war, herrschte für ein paar Sekunden ehrfürchtiges Schweigen – dann folgte begeisterter Jubel. Der Minnesänger verbeugte sich und Fi glaubte, in seinen Augen Tränen zu sehen. Doch rasch wurde sein Blick wieder leer.
Der Marktmeister bat nun alle übrigen Musiker wieder auf die Bühne und forderte der Reihe nach vom Publikum Applaus ein. Die Zwerge und der Querflötenspieler belegten in der Zuschauergunst die Plätze drei und zwei. Der Minnesänger jedoch stach sie wie erwartet alle aus. Nikk hingegen war nicht einmal angetreten und Fi fragte sich, wo er geblieben war. Die Musiker begaben sich wieder in ihren Wartebereich, nur der Minnesänger wankte von der Bühne, als würde er schlafwandeln.
Irgendetwas stimmte nicht mit dem Mann. Fi fühlte es so deutlich, als stünde sie direkt neben ihm. »Entschuldigt!«, rief sie ihm nach und lief an den Mitgliedern ihrer Gruppe vorbei, als sie jemand am Weidenkorb festhielt.
»Du bist doch kein Mensch, oder?«
Fi drehte sich um. Schräg hinter ihr drängten sich der Zwerg mit dem Gabelbart und sein breitschultriger Begleiter zu ihr durch. »Wir haben dich schon heute Vormittag bemerkt. Du bist ein Elf!«
Wieso mussten die Zwerge sie ausgerechnet jetzt ansprechen? »Ja, und?«
Sie spähte über ihre Köpfe hinweg und suchte wieder den Minnesänger.
»Man trifft hierzulande nicht mehr häufig auf Angehörige deines Volkes«, murrte der andere mit dunkler Stimme. »Stammst du aus Albion?«
Fi reckte abermals den Hals, aber der Sänger war längst im bunten Treiben verschwunden. »Ist das denn so wichtig?«, gab sie leicht verärgert zurück.
»Gemach, Herr Elf. Gemach!«, beschwichtigte sie der bärtige Zwerg. »Meinst du nicht, dass wir in Zeiten wie diesen die alten Streitigkeiten zwischen unseren Völkern begraben sollten? Uns Festländer erreicht nur noch selten Kunde aus dem einstigen Reich von König Drachenherz. Eigentlich wollten wir dich heute Abend nur auf ein Fässchen Schwarzbier einladen.«
»Oder gehörst du zu Tandarin?«, mischte sich der andere ein. »Du bist doch nicht etwa sein neuer Gehilfe? In diesem Fall solltest du besser achtgeben, mit wem du dich einlässt.«
Fi seufzte und wandte ihre Aufmerksamkeit nun ganz den Zwergen zu. »Entschuldigt meine Unhöflichkeit. Wenn ich Zeit finde, komme ich Eurer Einladung gern nach. Ein Tandarin ist mir jedoch gänzlich unbekannt.«
Die Zwerge warfen sich verstohlene Blicke zu.
»Willst du uns weismachen, dass ausgerechnet dir der einzige andere Vertreter deines Volkes in Rüstringen entgangen ist?«
»Wie bitte? Hier in Rüstringen weilt ein Elf?« Fi sah die Zwerge ungläubig an.
»Du kennst den Puppenmacher wirklich nicht?«, brummte der Zwerg mit dem Gabelbart.
»Nein.« Fi schüttelte den Kopf.
»Na ja, er hält sich ebenso bedeckt wie du, aber wir haben seine Maskerade schon lange durchschaut.«
»Seltsam, dass ausgerechnet er nicht am Wettbewerb teilnimmt«, meinte sein Kumpan. »Seine Vorstellungen sind pure Magie.«
»Wenn dieser Tandarin wirklich ein Vertreter meines Volkes ist«, meinte Fi, »dann würde ich gern wissen, wo ich ihn finden kann.«
»Überlege dir das gut, Herr Elf.« Die Zwerge rückten von Fi ab. »Mit Tandarin ist nicht gut Kirschen essen. Er gilt als gefährlich. Komm heute Abend lieber zu uns. Uns ist sehr an Nachrichten aus Albion gelegen.«
Die Fanfaren bewahrten Fi vor einer Antwort. Der Marktmeister baute sich auf der Bühne auf und reckte das Gesicht der Nachmittagssonne entgegen. »Verehrtes Publikum, ich präsentiere die Kleinkünstler!«, rief er. »Wir beginnen mit einem Teilnehmer, der dem Alten Volk entstammt und den weiten Weg aus den Elfenwäldern bis zu uns nach Rüstringen angetreten hat!« Ein überraschtes Tuscheln ging durch die Reihen und Fi sah aufgeschreckt auf. Wer hatte dem Marktmeister erzählt, dass sie kein Mensch war? Sie ahnte es, als sie die auffordernden Blicke der beiden Zwerge bemerkte. Der bärtige Zwerg zwinkerte ihr gutmütig zu. »Na los, Herr Elf! Keine falsche Scheu. Unsereins muss schließlich zusammenhalten.«
Widerwillig kam Fi der Aufforderung nach und trat auf die Bühne. Das Publikum klatschte und sie konnte über die Menge hinweg bis zu den Schankständen blicken, wo ihr Bootsmann Rob und seine Kameraden betrunken zujubelten. Fi seufzte und warf einen unglücklichen Blick auf den Felsen im See, wo auch Loreline und
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