Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
wenn das Reich unter den Wogen fällt, stehen der Nebelhexe Tür und Tor offen, um auf breiter Front gegen Berchtis’ Leuchttürme vorzugehen. Dann ist auch auf dem Kontinent niemand mehr vor ihr sicher!«
Fi ließ den Stoff sinken und starrte müde auf den See, auf dessen Oberfläche sich das Mondlicht spiegelte. »Doch, das ist mir sehr wohl bewusst, Nikk. Aber ich kann einfach nicht glauben, dass du Morgoya besiegen willst, indem du dich ihrer Mittel bedienst.«
»Was ist denn das für eine Übertreibung?« Nikk hockte sich neben sie und seine Stimme nahm einen versöhnlichen Klang an. »Berchtis’ genauer Wortlaut war: ›Findet ihr das Füllhorn der Träume, findet ihr auch eure Bestimmung.‹ Nichts anderes habe ich vor. Ich will es zunächst einmal bloß finden.«
»Sehr spitzfindig.«
»Was ist daran spitzfindig? Die Feenkönigin hat mit keinem Wort davon gesprochen, dass wir uns dafür einem lächerlichen Gauklerwettbewerb aussetzen müssen.« Nikk deutete auf die Röckchen. »Oder glaubst du allen Ernstes, dass du ihn mit deinen Mäusen gewinnen wirst?«
Fi betrachtete den Stoff zwischen ihren Fingern und schwieg.
»Warum nutzen wir nicht den Hinweis, den ich Bachelia und Amphorine entlockt habe?«, fuhr er fort. »Die Undinen stehen auf unserer Seite.«
»Sie stehen vielleicht auf deiner Seite«, antwortete Fi. »Auf meiner ganz sicher nicht. Und wenn Loreline wüsste, wie weit die zwei Grazien gehen, um dir hübsche Augen zu machen, würde sie die beiden vermutlich zurück ins Undinenreich jagen.«
»Trotzdem, wenn dieses Füllhorn tatsächlich in einer verborgenen Grotte unterhalb des Schlosses versteckt ist …«
»Hör auf, Nikk!« Fi ließ ihr Nähzeug fallen und stand auf. »Meine Antwort lautet: Nein! Ich bin keine Betrügerin. Und ich habe im Moment völlig andere Probleme. Ich … ach, lass mich einfach in Ruhe und geh zurück zu deinen zwei Bewunderinnen.« Aufgebracht sammelte sie alles wieder auf, setzte sich hin und begann verbissen an dem fünften Mäuserock zu arbeiten.
»Kannst du mir bitte sagen, was eigentlich mit dir los ist?« Nikk sah sie verwundert an und eine Weile war nur der Wind zu hören, der in den Bäumen am Ufer rauschte. »Dir geht es in Wahrheit doch gar nicht um den Wettbewerb, oder?«
»Nikk, ich …« Fi presste die Lippen aufeinander und bereute, dass sie sich nicht einfach auf Koggs’ Schiff zurückgezogen hatte. Aber die Aussicht, sich auf den morgigen Wettbewerbstag inmitten einer Runde betrunkener Seeleute vorzubereiten, war ihr nicht gerade verlockend erschienen. Dabei wusste sie nur zu gut, dass sie ihre Entdeckung mit jemandem teilen musste. »Nikk, ich habe den Elf aus Jada’Maar aufgespürt.«
»Was? Hier in Rüstringen?«
»Sein Name lautet Tandarin. Er ist Puppenmacher und lebt drüben bei den Gauklern.«
»Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?«, fragte Nikk erstaunt.
»Wann denn?«, fragte Fi spöttisch. »Du warst ja ewig weg und musstest mit deinen Undinen rumschäkern. Und Koggs kann ich nicht von ihm erzählen.«
»Warum?«
»Weil …« Fi seufzte. »Ich glaube, Tandarin kennt Morbus Finsterkrähe.«
»Der Hexenmeister, dem Magister Eulertin hinterherjagt?« Nikk sprang entgeistert auf und Fi berichtete ihm nun, was sie in Erfahrung gebracht hatte.
»Meine Güte, natürlich«, keuchte Nikk. »Sprach Eulertin nicht davon, dass Finsterkrähe dem fahrenden Volk entstammte? Was hat dir dieser Tandarin denn erzählt?«
»Nichts, er hat mich fortgescheucht, bevor ich mich überhaupt vorstellen konnte.«
»Aber Fi, so etwas darfst du nicht für dich behalten. Wir müssen Koggs einweihen.«
»Und dann?« Fi sah unglücklich zu dem Meermann auf. »Tandarin ist noch immer ein Angehöriger meines Volkes. Dass er misstrauisch ist, verdenke ich ihm nicht. Ich muss mir ja bloß meine eigene Vergangenheit vor Augen halten. Also das, was ich darüber weiß.«
»Koggs könnte uns helfen, sein Vertrauen zu gewinnen.«
»Und was, wenn Koggs Dystariel über ihn informiert? Du weißt, dass ich den Klabauter mag. Aber solange ich nicht weiß, warum er und der Däumling ausgerechnet mit einer Gargyle zusammenarbeiten, werde ich meine Geheimnisse für mich behalten.« Fi sah Nikk verbittert an. »Ich lasse nicht zu, dass noch einmal ein Elf durch ein Ungeheuer wie Dystariel zu Schaden kommt. Außerdem ist noch gar nicht erwiesen, ob uns Tandarin überhaupt helfen kann.«
»Wie bitte?« Nikk schüttelte ungläubig den Kopf. »Fi, dieser
Weitere Kostenlose Bücher