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Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Titel: Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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denn ihr wurde die Tragweite ihres Zerstörungswahns bewusst. »Warum hast du nichts gesagt?«, stöhnte sie.
    »Das konnte ich nicht!«, herrschte sie der Puppenmacher an, während er mit der Fußspitze fahrig die Asche durchsuchte. »Wie hätte ich denn sonst die verdammte Gargyle überrumpeln sollen? Schnell, mein Stab. Wo ist er?«
    »Denkst du wirklich, ich werde …«
    »Fang an, deinen Verstand zu benutzen!« Am Himmel rumpelte es und der kalte Wind wurde immer stärker. »Auch Finsterkrähe besitzt eine Marionette, mit der er mich kontrollieren kann. Doch auf meinem Stab liegt ein Gegenzauber.« Fast panisch beugte er sich über sie. »Wenn du ihn mir nicht sofort aushändigst, wird Rüstringen gleich zwei Zauberern gegenüberstehen, deren Macht niemand hier auch nur annähernd gewachs…!«
    Tandarins Bewegungen erstarrten und sein Blick trübte sich. Ohne weiter nachzudenken, hetzte Fi hinüber zur Bühne und zog den Narrenstab darunter hervor. In diesem Moment erhob sich Tandarin ruckartig und blickte gespannt zur Sturmfront auf, als erwarte er von dort Befehle. Fi stemmte sich gegen den Wind, der jetzt mit orkanartiger Stärke über das Seeufer fegte, und riss Tandarin die Gargylenmarionette aus den Händen. Die Glieder der Holzpuppe schlugen im Sturm gegeneinander, die Fäden hatten sich längst verdreht. Hastig drückte sie Tandarin den Stab zwischen die Finger. Keinen Augenblick zu spät, denn über dem See türmte sich die Sturmfront zu einem wallenden Wolkengebirge auf, aus dem sich ein riesiges Gesicht mit herrischen Zügen herausschälte. Aus den frostig dreinblickenden Augen blitzte es und der weiße Wolkenbart war mit glitzernden Eiskristallen durchsetzt. Das musste der Nordwind sein! Der eisige Sturmwind fegte Fi von den Beinen und sie fiel zum zweiten Mal hin.
    Plötzlich schraubte sich ein monströser Wolkenarm vom Himmel herab. Auf seiner Hand stand fast winzig klein eine Gestalt in einem schwarzen Umhang mit hoher Halskrause. Morbus Finsterkrähe! In der Linken hielt der Hexenmeister eine Gliederpuppe, mit der Rechten umfasste er einen schlanken Stab, der violett leuchtete. Tandarin kam ächzend wieder zu sich und hob kampfbereit den Narrenstab.
    »So sieht man sich wieder, alter Mann!«, peitschte der Nordwind die Stimme Finsterkrähes zu ihnen ans Ufer. »Es ist mir eine Freude, dir endlich wieder persönlich gegenüberzutreten. Das ist viel besser, als dich immer nur mit einer Kristallkugel zu überwachen.« Der Hexenmeister lachte und hob die Marionette Tandarins in die Höhe. »Es ist wirklich befriedigend, dich mit deinen eigenen Mitteln zu schlagen.«
    »So leicht kommst du nicht gegen mich an!«, rief Tandarin. »Ich habe dir noch immer mehr als eintausend Jahre voraus.«
    »Du bist vor allem alt«, giftete der Hexenmeister. »Ich habe dagegen noch nicht einmal den Höhepunkt meiner Macht erreicht.«
    »Nein, Morbus, du wirst genau wie alle anderen scheitern.« Der Sturmwind schüttelte Tandarin leicht hin und her. »Sieh dir die Marionette nur gut an. Vielleicht begreifst du dann, dass du längst selbst an Fäden hängst. Deine neue Lehrmeisterin wird dich fallen lassen, sobald du ihr nicht mehr von Nutzen bist.«
    »Woher weißt du von meiner Verbindung zu ihr?«, fragte Finsterkrähe verärgert.
    »Deine Gier nach Macht musste dich eines Tages in ihre Arme treiben.«
    »Vielleicht bin ich es ja, der eines Tages über Morgoya triumphiert«, geiferte der Hexenmeister. »Doch das wirst du nicht mehr erleben. Es sei denn, du überlässt mir das Füllhorn freiwillig.«
    »Das musst du dir schon holen!«
    »Wie du willst!« Aus Finsterkrähes Faust brach ein greller Feuerstrahl hervor, der in weitem Bogen auf Tandarin zujagte. Der Puppenmacher hob den Narrenstab über den Kopf und die elementare Glut prasselte gegen eine silbrige, wie von Mondlicht gewobene Spiegelfläche, die den Feuerstrahl auf den Hexenmeister zurückschleuderte. Finsterkrähe zerschlug den Strahl mit einem raschen Hieb seines Zauberstabs und prasselnde Flammen regneten auf den See.
    »Los, Nordwind, hol ihn dir!«, gellte Finsterkrähes Stimme über das Ufer. Grollend setzte sich das Wolkengebirge in Bewegung, als Loreline den Kopf aus dem Wasser streckte. »Du wirst den Nordwind nicht missbrauchen, Hexenmeister!«, rief sie und ließ eine mächtige Fontäne aufsteigen. Mit der Kraft einer Springflut jagte die Wassersäule zum Himmel empor, bohrte sich in die Wolkendecke und hielt den Nordwind über dem See fest.

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