Der Sklave von Midkemia
zu stellen. »Ihr müßt hungrig sein.« Sie lud den Supai ein, es sich auf den Kissen bequem zu machen. Der Diener entfernte sich leise, und einen Moment war es vollkommen still. Weder Mara noch Arakasi nahmen von dem Essen. Die Lady der Acoma ergriff als erste das Wort. »Erzählt mir von Desio.«
Arakasi schwieg noch immer. Seine dunklen Augen verrieten keinerlei Gefühl, doch die Hände, die selten seine Stimmung verbergen konnten, wirkten angespannt. »Der junge Lord ist kein Spieler des Großen Spiels, wie sein Vater es war«, begann er schließlich. »Zumindest dies macht ihn gefährlich. Bei Jingu wußten meine Spione immer, wo und wann sie achtgeben mußten. Bei seinem Sohn ist es anders. Ein erfahrener Gegner ist auf eine bestimmte Weise vorhersehbar. Ein Neuling könnte sich als … einfallsreich erweisen.« Er lächelte leicht und nickte Mara in der stillen Anerkennung zu, daß es ihr eigener Erfolg war, der ihn zu dieser Beobachtung geführt hatte. »Er besitzt nicht viel Phantasie, und er ist kein Denker, aber was Desio nicht mit Hilfe des Verstandes erreichen kann, könnte er trotzdem irgendwie in die Finger bekommen.« Der Supai goß sich Jomach-Saft in den Becher und nahm einen vorsichtigen Schluck. Er würde hier niemals Gift finden, doch er wurde immer etwas unsicher und vorsichtig, wenn er über die Minwanabi sprach. Er bemühte sich um einen leichteren Ton, denn er wollte seine junge Herrin nicht unnötig ängstigen. »Desio hat eine Menge Soldaten, an denen er seine Fehler auslassen kann.«
Mara dachte über die Stimmung nach, in der sich der Supai befand. Möglicherweise hing sie mit seinem Ringen um Selbstbeherrschung zusammen, denn wenn er seinem Haß freien Lauf ließe, würde er die Vernichtung seiner Feinde mit einer Unerbittlichkeit anstreben, die keinerlei Rücksicht zuließ – auch nicht auf die Sicherheit derer, die ihm nahestanden.
»Desio selbst jedoch ist schwach, egal, wie stark jene sind, die ihm dienen.« Arakasi stellte den Becher auf dem Tisch ab. »Er hat die Leidenschaft seines Vaters geerbt, aber nicht dessen Beherrschung. Ohne die Wachsamkeit von Kommandeur Irrilandi hätten seine Feinde längst die Verteidigungsvorkehrungen hinweggefegt und sich über seinen Reichtum hergemacht wie ein Rudel Jagunas über einen toten Harulth«, sagte er und bezog sich auf Kelewans hundeähnliche Aasfresser und das meistgefürchtete Raubtier, ein gewaltiger Schrecken auf sechs Beinen, der nur aus Geschwindigkeit und Klauen und Zähnen zu bestehen schien. Arakasi schaute Mara eindringlich an. »Doch Kommandeur Irrilandi behielt seine Patrouillen in vorbildlicher Weise bei. Viele Erkundungsstreifzüge wurden seit Jingus Tod durchgeführt, und die Minwanabi hinterließen nur wenige Überlebende, die noch ihre Wunden lecken konnten.«
»Auch die Xacatecas zählten zu ihren Feinden«, sagte Mara sofort.
Arakasi nickte. »Sie empfinden keine Zuneigung gegenüber den Minwanabi, und mein Spion im Haushalt von Lord Chipino deutete an, daß der Erste Berater der Xacatecas über ein Bündnis mit den Acoma nachdenkt. Andere Berater sind noch dagegen; sie sagen, Ihr hättet alles gezeigt, was in Euch steckt, und warten auf Euren Sturz. Doch Chipino von den Xacatecas hört ihnen zu, ohne eine endgültige Entscheidung zu fällen.«
Mara hob erstaunt die Augenbrauen. Die Xacatecas waren eine der Fünf Familien. Ihr Sieg über Jingu hatte ihrem Namen tatsächlich Achtung beschert, wenn Chipinos Berater eine mögliche Verbindung in Betracht zogen, die den Charakter einer Kriegserklärung an die Minwanabi hatte. Selbst die Shinzawai waren der Frage eines offenen Bündnisses noch aus dem Weg gegangen und begnügten sich zunächst mit einer freundlichen, doch neutralen Haltung.
»Aber die Xacatecas können warten«, sagte Arakasi. »Desio wird nicht allem eine politische Linie formulieren, sondern sich auf seine Vertrauten und Verwandten berufen. Die Macht und die Führung werden sich auf mehrere Männer verteilen, was es meinen Spionen sehr erschwert, ein klares Bild zu gewinnen. Unsere Vorhersagen werden daher unzuverlässig sein, wenn es um die große Politik und die direkt bevorstehenden Pläne der Minwanabi geht.«
Mara betrachtete das Obst – von jeder Sorte war ein Stück da – und sah, wie ein Insekt sich ihm näherte. Desio würde sich also mit zielstrebigen und machthungrigen Männern umgeben, und wenn deren Wünsche auch nicht immer übereinstimmen mochten, besaßen sie doch alle ein
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