Der Sodomit
klug“, murmelte Leske. „Und ich kann ihr vertrauen.“
*
Die ganze Nacht musste sich Tamás das klägliche Stöhnen nun schon anhören und nun ging es ohne Pause weiter. Dabei lag die Einladung zu einem Bankett vor. Eindeutig wusste Matthias ihre aufmerksame Besorgnis zu schätzen, wenn er sie zusammen mit Jacquier zu sich bat.
Bence zog seinen hell-dunkel gestreiften Hut vom Kopf, knautschte ihn zusammen und drückte das Wollding an seine Wange. Der Hut, oder war es eine Mütze? - Himmel noch mal, eine Troddel zierte es am spitzen Ende! – war früher nie Kopfschmuck seines Kollegen gewesen. Doktoren kleideten sich dunkel und gediegen. Übermantel, Wams, Beinkleider, seinethalben auch Hosen, alles gerne schwarz. Wenn die restlichen Bürger wie Gecken herumrannten, war das ihre Entscheidung. Der bunte Krempel schwappte aus Italien und Frankreich bis nach Ungarn. Es hieß, dort kleidete sich der Patrizier nicht weniger auffällig als der Edelmann.
„Mein Zahn bringt mich um“, wimmerte Bence aus dem modischen Fauxpas heraus.
„Er hat vorm Einschlafen zu puckern begonnen, zog in der Nacht, drückte gegen Morgen und jetzt, sieh dir meine Wange an!“
Der Hut fiel auf den Tisch.
Donnerschlag, was war Bences Gesicht schief!
„Der muss raus.“ Die Wirtin knallte ihnen eine Pfanne mit einer schleimigen Masse vor. Sollte das ihr Frühstück sein?
„Ihr seht aus wie Péter im letzten Jahr. Als Szábo ihm den Zahn zog und der Eiter dabei einmal quer durch den Behandlungsraum spritzte, hat der Junge nicht vor Schmerz geweint, sondern vor Erleichterung.“
Neben der Pfanne landeten zwei Bierkrüge. Blasenlos schwappte der Inhalt in ihnen von der einen zur anderen Seite.
„Leider, leider haben wir keinen Wundarzt mehr. Aber wenn es dem Herren zu gruselig wird und er vor Fieber beginnt, sich beim eigenen Herzschlag zu verzählen, kann ich ihm den Zahn mit dem Fleischhammer raushauen.“
Sogar der Speichelfaden, der aus Bences schiefem Mund hing, zitterte. „Tamás“, flehte er zum Gotterbarmen und griff mit heißer Hand nach ihm. „Zieh mir den Zahn. Du bist Arzt. Du kannst das.“
„Mach dich nicht lächerlich.“ Mit spritzendem Eiter wollte er nichts zu tun haben. „Iss dein Essen. Vielleicht wird es dann besser. Was ist das überhaupt?“ Die Wirtin zuckte die Schulter. „Reste von gestern. Die beiden Gäste aus der Festung oben waren sehr angetan von meinem Pilzragout. Probiert es! Es bewirkt Wunder und schmeckt bei Weitem besser, als es aussieht.“ Mit wehenden Röcken drehte sie sich um und verschwand pfeifend in der verrußten Küche.
„Der Mensch muss essen“, wimmerte Bence und löffelte sich das Ragout zwischen die schiefen Lippen. „Ich werde mir den Zahn nachher selbst ziehen. So schwer kann das nicht sein, wenn es Szábo auch konnte.“ Er steckte den Finger in den Mund und tastete sich an glibberigem Speisebrei vorbei nach hinten zu seinem Zahn.
„Willst du es jetzt tun?“ Tamás schnappte sich die Pfanne und zog sich und sie von Bence fort. Noch schnell ein paar Happen, bevor es eklig wurde. Die Wirtin hatte recht. Das Essen schmeckte zwar matschig, aber gut.
„Nur mal antippen“, nuschelte Bence. Im nächsten Moment schrie er gellend auf. Neben diesem Jammerlappen verbrachte er keinen Moment länger. Noch zwei, drei Löffel voll und Tamás zog sich mit seinem Bier nach draußen zurück.
Selbst durch die Tür hörte er Bences Wimmern.
Auf den Dächern lag Raureif. Der von den Wagenrädern und Stiefeln aufgeworfene Schlamm war steifgefroren.
Hoch über Visegrád ragte die Festungsanlage auf. Irgendwo tief unter dem Salomonturm steckte Szábo zusammen mit den anderen Sündern.
Ob sie vor dem Dorf schon damit begannen, die Scheite aufzustapeln?
„Nein, nein, der König hat den Scharfrichter aus Buda gebeten, das Verfahren gegen die Sodomiter zu begleiten. Es wird nicht eingestellt, nur weil unser Henker und sein Geselle krank sind.“ Der Krämer bemerkte ihn, ließ die Frau stehen, mit der er geredet hatte, und eilte auf ihn zu. „Wollt Ihr euch nicht der beiden armen Kerle annehmen?“ Er zeigte zur Festung. „Die Wachleute sagen, sie krümmten sich vor Schmerzen und würden ununterbrochen erbrechen. Muss eine fürchterliche Sauerei sein, aber Szábo …“
„… ist verhindert. Ich weiß.“ Wie lästig, dass ausgerechnet jetzt an allen Ecken Krankheit und Siechtum ausbrechen musste.
Aus dem Inneren seiner Eingeweide löste sich ein Grummeln und stach in
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