Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
hoffe, Ihr haltet Eure Ohren offen, werter Lirandil«, sagte Neldo an den Elben gewandt, der eine Weile in geistiger Versenkung verbracht hatte. » Ich jedenfalls habe im Augenblick genug von den Orks.«
» Es sind keine in der Nähe«, versicherte Lirandil. » Ich vernehme keine Schritte, keine Stimmen oder andere Laute, die auf Orks schließen ließen.«
» Und für wie viele Meilen Entfernung gilt diese Aussage?«, wollte Borro wissen. » Für eine halbe oder gar für zwei? Diese Frage interessiert mich schon seit Längerem.«
Lirandil jedoch schien nicht gewillt, ihm über die Elbensinne genauere Angaben zu machen. Er schloss stattdessen die Augen und versank wieder in seine Gedanken.
» Ich frage mich, wo das alles noch enden wird«, murrte Borro.
» Du hättest ja nicht mitkommen müssen«, entgegnete Neldo. » Bereust du deine Entscheidung schon?«
Borro antwortete nicht sofort, sondern sah zu Zalea hinüber, deren Gesicht vom weichen Schein des Feuers umschmeichelt wurde. Sie sah nicht auf, sondern war damit beschäftigt, ihr Bündel neu zu schnüren und alles, was sie bei sich trug, zu ordnen, insbesondere ihre Heilerutensilien.
» Nein, ich bereue keineswegs, dass ich mich euch angeschlossen habe«, sagte Borro schließlich, » auch wenn es deswegen zu Hause sicherlich noch einigen Ärger geben wird.«
» Das bedeutet, du hast niemandem Bescheid gesagt und bist einfach gegangen?«, schloss Neldo.
» Das heißt, dass ich alt genug bin, meine eigenen Entscheidungen zu treffen«, erklärte Borro. » So wie jeder von uns.«
» Wir können nur hoffen, dass unsere Reise zum Hof des Waldkönigs nicht vergebens ist und Lirandil dort tatsächlich die Unterstützung findet, die wir brauchen«, sagte Arvan.
» So schrecklich es ist, was die Orks getan haben«, meinte Neldo, » aber all das wird Lirandil sicherlich helfen, wenn er vor den Waldkönig tritt.«
» Die Gräueltaten der Orks?«, fragte Arvan.
» Diese und ihre Anzahl«, präzisierte Neldo. » Wenn es nur ein paar Hundert wären, könnte der Waldkönig abwarten, dass sie wieder abziehen, so wie er es sonst immer getan hat. Schließlich hat es schon immer Orkeinfälle gegeben, aber die Scheusale sind nie geblieben, um das Land zu erobern.«
» Aber diesmal ist es anders«, sagte Arvan.
» Es müssen Tausende sein. Und sie sind wahrscheinlich nur die Vorhut einer gewaltigen Armee des Schreckens, wenn Lirandils Worte der Wahrheit entsprechen. Und daran kann es wohl kaum noch einen Zweifel geben. Der Waldkönig kann sich die Länder am Langen See nicht einfach so wegnehmen lassen oder es Tausenden von Orks auch nur zeitweilig gestatten, hier zu marodieren, denn damit würde er seine Autorität aufs Spiel setzen. Diesmal wird es auch nicht reichen, ein paar Schwadronen seiner Söldner auszusenden und sie mit ihren Kriegselefanten nach Süden marschieren zu lassen.«
» Unsere Heimat wird zu einem Schlachtfeld«, befürchtete Borro. » Und der Gedanke gefällt mir überhaupt nicht.«
Die Nacht war so dunkel, dass eine Weiterfahrt nicht möglich war. In den frühen Morgenstunden, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Wipfel der Riesenbäume im Osten fielen und sich im Wasser des Langen Sees spiegelten, weckte Lirandil die anderen.
Arvan hatte geschlafen wie ein Stein, traumlos und tief. Er schreckte hoch, als Lirandil ihn an der Schulter rüttelte. Nachdem er begriffen hatte, wo er war, sammelte er seine Sachen zusammen und war innerhalb kürzester Zeit reisefertig. Es war kühl, und draußen über dem See wallten wieder Nebelschwaden und ballten sich zu grauweißen formlosen Gebilden.
Zalea, die damit beschäftigt war, sich die Haare zu binden, schien Arvans Gedanken zu erraten. » Manchmal«, sagte sie, » ist Nebel auch einfach nur Nebel, Arvan, keine übernatürliche Erscheinung.«
Sie hat recht, erreichte Arvan ein Gedanke von Lirandil, der sich bereits im Boot befand und das Segel hochzog.
» Sagt mal, wir werden doch wohl nicht ohne Frühstück aufbrechen?«, beschwerte sich Borro. » Lirandil, kennt Ihr nicht das Sprichwort: Ein Halbling, der nicht gefrühstückt hat, ist wie ein halber Mensch?«
» Du hast von dem ohnehin sehr reichhaltigen Proviant, den du mit auf die Reise genommen hast, schon mehr als genug vertilgt«, hielt Lirandil ihm vor.
» Reichhaltiger Proviant?«, wunderte sich Borro. » Ein Elb kann davon vielleicht ein halbes Jahr lang leben, aber für mich ist das nur eine Zwischenmahlzeit, die ich auf mehrere Tage
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