Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
Schicksals. Die Polizei hatte sich das auch gefragt. Doch Timo erklärte, dass sein Bruder Alexander beobachtete. Er wollte erfahren, wann und wo es Momente gab, in denen Alexander alleine war. Sehr bald hatte er mitbekommen, dass es diese Momente hier im Restaurant am ehesten gab. Hannah und Alexander kamen immer durch die Hintertüre rein, schon aus Gewohnheit, da sie hier ja mal wohnten. Tja und in der Tat war es eben keine Seltenheit, dass Alexander im Flur wartete, bis Hannah kam. Oft holte sie nur kurz etwas ab, um gleich wiederzukommen. Und da, wo jemand zu Hause ist, erwartet man am wenigsten, dass etwas passieren könnte. Deshalb verschwinden so viele Kinder unweit ihres Elternhauses”, erklärte Joey.
“Es bleibt aber immer noch ein Haken an der Sache. Das Gesagte leuchtet zwar ein, wenn es um eine tägliche Gewohnheit geht. Aber, soviel ich weiß, istAlexander mindestens zwei Wochen nicht mehr da gewesen”, wunderte sich Andrea dennoch.
“Du hast Recht Andrea. Doch Entführer planen nicht heute und schlagen morgen zu. Zuerst beobachten sie die Gewohnheiten ihrer Opfer, treffen sämtliche Vorbereitungen und dann warten sie. Sie haben dabei viel Zeit und viel Geduld. Sie warten … sie warten … so lange, bis sie endlich zuschlagen können.”
“So Leute, lasst uns von etwas anderem reden. Die Sache wird nicht besser oder schlechter, wenn wir sie tausend Mal durchkauen”, sagte Hannah und prompt änderte sich die Stimmung in eine gesellige unbeschwerte Richtung.
Es war ein schöner gemütlicher Anlass, nicht pompös, aber eines runden Geburtstags durchaus würdig, fand Hannah. Natürlich ging keine Feier ab, ohne dass Alexander ein kleines Konzert gab. Diesmal dachte er sich etwas Besonderes aus. Er wollte nicht einfach ans Klavier sitzen und spielen, sondern er legte die selbst produzierte CD ein, die er seiner Mutter zu ihrem 28sten Geburtstag schenkte. Mit seiner Querflöte begleitete er sich dann selbst. Es war ein Traum. Für Hannah war es immer ein besonderer Genuss, wenn ihr Sohn musizierte. Ach, wie liebte sie dieses Kind. Und einen Moment dachte sie an Alexander den Großen. Alexander war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte die gleichen dunklen Haare und Augen. Wie bei seinemVater, zierten zwei Grübchen seine Wangen, wenn er lachte. Leider sah sie ihren Sohn nicht sehr oft lachen. Wie gerne hätte sie für ihn eine unbeschwerte Kindheit gehabt, die er ja auch hätte haben können. Doch je älter er wurde, desto mehr war er von der Musik absorbiert. Sie hatte manchmal das Gefühl, dass er entrückte – er entrückte von dieser Welt.
Als Hannah am Morgen erwachte, war sie ziemlich erschlagen, denn die Feier dauerte bis in die Morgenstunden. Sie blieb noch ein bisschen liegen und ließ den Vortag und die Feier Revue passieren. Es war eine sehr nette Gesellschaft fand sie, ja und ganz besonders angetan hat es ihr Armin. Sie sind sich des Öfteren über den Weg gelaufen und haben immer wieder ein paar Takte miteinander gesprochen. Auch er hatte, wie Alexander der Große dunkles, kurz geschnittenes Haar und dunkelbraune Augen. Es schien wirklich typisch zu sein, dass man sich immer wieder vom gleichen Typ angezogen fühlt.
Da Armin in München arbeitete, bot er ihr an, dass er Alexander gerne mit nach München nehme, wenn er zur Uni ging. Armin war Apotheker und hatte in München nicht weit vom Konservatorium eine Apotheke. Wenn Alexander nicht in die Apotheke kam, weil er länger arbeitete, holte Armin ihn bei der Uni wieder ab. Meistens aber musste er ihn abholen, denn Alexander kannte, wenn er beschäftigt war, keine Uhrzeit. Unglaublich,fand Armin, wie ein achtjähriger Junge so sehr von der Musik besessen sein konnte.
Hannah fand diesen Armin sehr sympathisch. Wenn er sie mit seinen dunklen, warmen Augen ansah, schmolz sie förmlich dahin. Sie hatte ihn auch schon zum Essen eingeladen. Sie genoss es, sich mit diesem ruhigen sympathischen Mann zu unterhalten und beim jüngsten Treffen kamen sie sich auch näher. Nun es blieb bei einem leidenschaftlichen Kuss. Doch ihr Inneres flatterte, wie bei einem Teenager, wenn er sich verliebte. Sie schalt sich selbst, dass sie in dieser Beziehung immer noch wie ein Teenager reagierte. Auf der anderen Seite war es schon so lange her, dass sie und Alexander der Große ein Paar waren und schließlich war es normal, dass sie zu solchen wunderbaren, erhebenden und aufregenden Gefühlen zu einem anderen Menschen, der nicht ihr Sohn
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