Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
diese Sperre?«, fragte Awin.
»Oh, die Akradhai haben einen mit Türmen gesicherten Holzwall auf dieser Seite des Flusses, um Feinde von ihrer Brücke fernzuhalten. Er ist groß und stark, und ich weiß nicht, wie Tiudhan Eri ihn so schnell überwinden konnte. Wirklich, ich nahm an, er würde die Stadt belagern müssen, und dann, wie es den Roten Hakul stets erging, unverrichteter Dinge wieder abziehen. Doch die Götter sind auf der Seite des jungen Tiudhan. Er hat die Brücke genommen. Und uns hat er zurückgelassen.«
Awin fand den Mann erstaunlich offenherzig. Er hätte einem Fremden gegenüber nicht so freimütig von seinem Fehler berichtet. Er fragte: »Und ihr habt nicht versucht, den Fluss an anderer Stelle zu überqueren?«
»Die Jurma?«, wehrte der Mann erschrocken ab. »Man merkt, dass du weit von den Weiden deiner Heimat entfernt bist, Yaman. Auf viele Tage gibt es keine Möglichkeit, über den Fluss zu gelangen. Oberhalb der Stadt schneidet er tief durch die Felsen des Vorgebirges, und unterhalb liegt der Femewald mit seinen Sümpfen. Kein Hakul würde je versuchen, dort den Fluss zu überqueren.«
»Und so bist du notgedrungen umgekehrt«, stellte Awin verständnisvoll fest.
»So ist es. Nun, ich denke, Tengwil wird ihren Grund gehabt haben, das Heer ohne uns über den Fluss zu lassen. Aber ich bin ihr nicht böse. Immerhin haben wir auf diesem Kriegszug erst zwei Männer verloren. Ich habe Zweifel, dass die Klans, die nun durch das Kornland ziehen, ähnlich glücklich wiederkehren. Und wir kehren nicht mit leeren Händen heim.« Bei diesen Worten drehte er sich zu dem Wagen um, der hinter ihm zum Stehen gekommen war. Er sah Awins verwunderten Blick und verstand ihn falsch, denn er sagte: »Ich werde der erste Hakul sein, der sein Zelt mit einem Tisch schmückt. Xiwil, mein Weib, wird sehr zufrieden mit mir sein.«
»Da bin ich sicher, Jeswin vom Wasser«, bestätigte Awin ernst.
»Doch darf ich dich nun fragen, Awin von den Dornen, was dich in diese Gegend führt?«
»Das ist dein gutes Recht, Yaman Jeswin. Die Antwort wird vielleicht etwas Zeit erfordern. Vielleicht sollten wir ein Feuer entzünden und uns dort beraten, denn ich denke, Tengwil hatte einen Grund, uns beide hier zusammenzuführen.«
Der Yaman willigte ein und stellte einige seiner jüngeren Krieger ab, um die Beratung und seine Beute zu bewachen.
»Was ist mit Isparra?«, fragte Tuge leise, als sie abstiegen.
»Wenn wir hier lange beraten, holen wir sie nie rechtzeitig ein. Und dann stehen wir ebenso dumm vor der Brücke wie dieser seltsame Mensch mit seinen Kriegern.«
»Ich werde versuchen, es kurz zu machen, Tuge, aber vielleicht können wir hier Verbündete gewinnen, die zuverlässiger sind als dieser unstete Wind, dem wir nachjagen.«
»Dennoch kommen wir ohne Isparra nicht über die Brücke, fürchte ich.«
»Und ohne diese Männer kommen wir vielleicht nicht mal bis an den Fluss, Tuge. Das ist Feindesland, und wir sind nur wenige. Du hast es doch gerade erlebt.«
Tuge sah Awin kurz an, dann nickte er und sagte: »Verzeih, dass ich an deiner Weisheit zweifelte, Yaman. Du hast natürlich Recht.«
Awin gab Tuge und Wela ein Zeichen, sich zu seiner Rechten und Linken niederzusetzen. Er drängte zur Eile, aber natürlich ging es bei weitem nicht so schnell, wie er es sich gewünscht hätte. Yaman Jeswin erteilte seinen Jungkriegern erst umständlich weitere Befehle, bevor er sich endlich mit seinen Yamanoi am Feuer niederließ, das Mabak und Limdin mit Holzresten aus dem niedergebrannten Haus entzündet hatten.
»Du hast gefragt, was mich hierhergeführt hat, Yaman Jeswin«, begann Awin dann zu berichten. »Es ist eine große Geschichte, so groß, dass du vielleicht schon das eine oder andere auf den Weiden gehört hast. So hast du sicher vernommen, dass der Lichtstein geraubt und Slahan geweckt wurde?«
Der Yaman und seine Krieger blickten einander an. Es konnte gar nicht sein, dass sie nichts davon gehört hatten, aber Jeswin antwortete: »Es gab Gerüchte, das eine oder andere wurde erzählt. Nachrichten wandern schnell über die Steppe, doch verändern sie auch ebenso schnell ihr Gewand.
Ich hörte von diesen Ereignissen, doch weiß ich leider nichts Genaues.«
Awin seufzte. Der Raub des Heolin und der Kampf mit der Gefallenen Göttin waren vermutlich die meist besprochenen Ereignisse des Staublandes, aber ganz offensichtlich wollte der Yaman eine gute Geschichte hören. Also tat er ihm den Gefallen. Er
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