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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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würden. Sie streckte die Arme aus, die Wolke aus Staub erhob sich wieder, verbarg sie und rollte auf die Stadt zu. Das war
zu viel für die Verteidiger. Sie warfen ihre Waffen fort und rannten. Awin sah zu, wie die Staubwolke, die Isparra verbarg, die Lücke durchquerte, über die Brücke wallte und schließlich das jenseitige Ufer erreichte. Längst waren dort alle Akradhai geflohen. Der Staub verwehte, und Isparra, eine kleine graue Gestalt in der Abenddämmerung, schritt über die Ebene davon. Sie ging langsam.
    Tuge kam herangesprengt, Jeswin, Lamban und Wela waren an seiner Seite. »Schnell, Yaman, die Brücke wird nicht verteidigt. Jetzt oder nie«, rief Jeswin von weitem.
    Awin sah Merege am anderen Ende der Ebene, sie hatte sein Pferd eingefangen, war abgestiegen und kümmerte sich um die Wunde. Jeswin hatte vielleicht Recht. Awin sah die Hakul auf dem Hügel, die sich kampfbereit machten. Er konnte erkennen, dass sie ihre bronzenen Kriegsmasken aufsetzten, und auch Jeswin nestelte schon an seiner Satteltasche, um sie hervorzuholen. Aber Awin sah auch, dass die Akradhai den Schock schnell überwanden. Es war immerhin schon das zweite Mal, dass ihnen eine Unsterbliche begegnete. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie beim ersten Mal zu entsetzt gewesen waren, um Eris Heer viel Widerstand entgegenzusetzen. Das hatten sie bitter bereut, und vermutlich hatten sie daraus gelernt. Auf der Brücke und in der Mauerbresche sammelten sich die Speerträger, und Awin sah Bogenschützen über die Mauern zu den Türmen rennen. Nein, es war zu spät. In Isparras Schatten wären sie vielleicht hinübergelangt, doch dieser Weg war ihnen jetzt versperrt.
    »Es ist zu spät, ihr Krieger. Seht ihr nicht, dass die Verteidiger der Stadt die Brücke wieder besetzt halten? Selbst mit deinen tapferen Kriegern werden wir ihren Schildwall nicht überwinden können, Yaman Jeswin. Nein, wir ziehen uns zurück.«

    Jeswin starrte eine Weile hinüber. Die Dämmerung war inzwischen weit fortgeschritten, und die Umrisse der Verteidiger verschwammen mit denen der Stadt. Es sah so aus, als hätten sie in der Bresche und auf der Brücke rasch neue Mauern hochgezogen, Mauern aus Schilden und Leibern, die mit tödlich langen Stacheln bewehrt waren. Jeswin nickte, und Lamban blies mit einem Hornsignal den Angriff ab. Die Brücke war ihnen versperrt. Sie mussten einen anderen Weg nach Norden finden.

Femewald
    SIE SCHLUGEN IHR Nachtlager ein gutes Stück von der Stadt entfernt auf. Awin kümmerte sich mit Wela um seinen Braunen. Zum Glück erwies sich die Wunde nicht als sehr tief, und Wela meinte, dass das Pferd schon bald wieder ganz das Alte sein würde. »Und vielleicht passt sein Besitzer in Zukunft etwas besser auf das treue Tier auf und lässt es sich nicht wieder von der nächsten halbwegs ansehnlichen Frau unter dem Hintern wegstehlen.«
    Awin hatte schon den Mund zu einer scharfen Erwiderung geöffnet, doch Tuge, der zugehört hatte, schüttelte warnend den Kopf. Also ließ Awin Wela ihren kleinen Sieg.
    Jeswin stellte doppelte Wachen, denn er fürchtete einen nächtlichen Überfall. »Unsere Brüder haben ihnen böse mitgespielt. Die Ackerleute sind zwar in vielem anders, aber auch sie werden nach Rache für ihre Toten schreien.«
    »Ich verstehe es nicht«, meinte Awin zu Merege, etwas abseits des Lagerfeuers. »Ich verstehe nicht, warum Isparra so gehandelt hat. Du hast sie gehört. Angeblich wollte sie keine Menschen töten. Das klingt seltsam, wenn man es aus dem Munde der Zerstörerin hört.«
    »Sie ist eine Windskrole. Erwarte nicht, dass du sie verstehst, Awin«, entgegnete Merege.
    »Ich weiß nur, dass sie uns etwas verheimlicht. Und es kann wichtig sein herauszufinden, was das ist. Wie dankbar wäre ich jetzt dafür, die Zukunft sehen zu können! Vielleicht könnte ich auf der Ebene des Geistes die Geheimnisse dieser Unsterblichen ergründen.«

    Merege sah ihn nachdenklich an, dann sagte sie: »Wenn dir dieser Weg versperrt ist, dann versuche es auf anderen. Du hast einen scharfen Verstand. Nutze ihn!«
    Darauf sagte Awin nichts. Sein Verstand? Der konnte nur raten, und das war ein schwacher Ersatz für die Gewissheit, mit der er auf seinen Reisen Dinge ergründet hatte. Er vermisste seine Gabe von Tag zu Tag mehr. In den Wochen nach der Schlacht um Pursu war sie noch da gewesen, und er hatte sie nur für nutzlos gehalten, weil sie ihn immer in jenen dunklen Raum mit den flüsternden Stimmen geführt hatte. Dabei war es Uos

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