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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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brennenden Augen ansah.
    Das Erdgeschoss war ein Abbild des ersten Geschosses. Wo sich oben einzelne Gemächer über die Breitseite des Gebäudes hinzogen und die einzelnen Hindernisse darstellten, die ein Vorsprecher zu überwinden hatte, bis er ins Allerheiligste des ehemaligen Hausbesitzers gelangte (ich nahm an, es hatte vor Miechowita einem Dekan der Universität gehört, bis diese erweitert worden war und dem heutigen Dekan eine Wohnmöglichkeit innerhalb ihrer Mauern bot), befanden sich hier unten Lagerräume. Hätte man deren Inhalt mit dem in Janas Lagerräumen getauscht, wäre hinterher keinem der beiden Tauschpartner ein Vor- oder Nachteil entstanden. Bis auf einen Raum unterschied sich das dort Untergebrachte ganz offensichtlich nicht voneinander, und an der Tür dieses einen Raums rüttelte Jana nun.
    Ich kam neben ihr zum Stehen. Sie ließ die Türklinke los, und ich rüttelte selbst an ihr.
    »Paolo!« Ich drosch mit der Faust gegen die Tür. »Bist du da drin? Sag was, mein Kleiner!«
    »Paolo. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Wir sind’s …!«
    Irgendetwas an meinem Gedankengang stimmte nicht. Ich schlug nochmals gegen die Tür, aber ich zögerte auf einmal.
    »Peter, es gibt keinen Schlüssel!«
    Ich antwortete nicht.
    »Paolo, wer hat dich eingesperrt?«
    Ich ließ die Faust sinken. Nun war ich sicher, dass wir uns irrten.
    Jana holte aus und hämmerte an meiner Stelle gegen das Türblatt. »Wir holen dich hier raus, P …!«
    Etwas schnappte und klackte. Das Schloss. Jemand sperrte es von innen auf. Jana wich zurück. Ich fand mich an ihrer Seite wieder. Wir stießen mit den Rücken an die jenseitige Wand des Gangs. Die Tür öffnete sich zögerlich.
    Jana stieß sich von der Wand ab und streckte die Hand nachder sich immer weiter öffnenden Dunkelheit aus. Ich bekam ihren Unterarm zu fassen und hielt ihn fest.
    »… Paolo?«
    Ich hatte niemals Miechowitas Namen auch nur erwähnt, so dass Paolo ihn hätte hören können. Und ganz abgesehen davon gab es – außer dass ich in meinem Ärger auf ihn Fryderyk Miechowita jede Gemeinheit zugetraut hätte – für den polnischen Kaufmann keinen Grund, Paolo festzuhalten. Jana hatte seinem Plan schon zugestimmt; es gab keinerlei Veranlassung, auf sie irgendwelchen Druck ausüben zu wollen.
    Jemand kam aus dem Lagerraum. Er trat so zögernd heraus wie einer, der fast sicher ist, dass er einen Fehler macht. Im Blitzlicht schrak er zusammen und blinzelte. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich diese arrogante, schleppende Stimme jemals unsicher hören würde, aber ich hatte mich getäuscht. Da ertönte sie, und ihr Klang war von aufsteigender Panik, Angst und dem Wunsch bestimmt, jemand möge sagen, dass alles in Ordnung war.
    »Herr Miechowita, sind Sie das? Ist alles klar?«
    Jana machte ein Geräusch. Ihre Schultern sanken herab. Mit einem Mal musste ich sie nicht mehr zurückhalten, sondern vielmehr stützen. Natürlich war ihre Hoffnung von vornherein eitel gewesen.
    »Das ist die andere Hälfte des Unglücks, das über die Stadt hereingebrochen ist«, sagte ich zu niemandem im Besonderen. »Die erste Hälfte haben wir schon unter unserem Dach.« Es blitzte erneut, der Donner grollte ohne erkennbare Pause gleich hinterher, und die Gestalt zuckte und schien mit dem Schatten verschmelzen zu wollen, aus dem sie herausgetreten war. »Und Angst vor Gewittern hat er auch noch. Komm heraus, Samuel ben Lemel, wir tun dir nichts.«

    Jana starrte ihn an, ihr Gesicht ein Spiegel der Enttäuschung, die sie bei seinem Anblick empfunden haben musste. Samuels Haar war zerzaust, und er strömte den Geruch eines Menschenaus, der zu lange mit sich allein gewesen ist, ohne die Möglichkeit, sich zu waschen; ansonsten war er äußerlich unversehrt. Nur die Augen, die große schwarze, flache Münzen in seinem schmollmündigen, vollwangigen Gesicht waren und deren Blicke zwischen Jana und mir hin und her zuckten, ließen erkennen, dass seine Pose erschüttert war.
    »Hat dein Vater dich hierher gebracht?«
    Samuel schüttelte den Kopf. Reichlich spät fiel mir ein, dass er vermutlich keinerlei Ahnung hatte, wer ich war und wo zum Teufel er mich schon einmal gesehen hatte. Ich nahm mir nicht die Zeit, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    »Mein Alter wollte mich nach Warschau schicken; zu ’n Scheiß-Verwandten«, nuschelte Samuel nach einer Pause. »Keine Lust, nach Scheiß-Warschau zu gehen. Bin abgehau’n.«
    Ich sah Joseph ben Lemel vor mir, der im

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