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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Angelegenheit.«
    »Trotzdem: Was vermutest du? Du machst dir doch Gedanken. Keine Angst, ich werde mich nicht mit deinen Geistesblitzen versehen und selbst auf die Suche machen – dazu bin ich noch ungeeigneter als zu dem, was ich hier ohnehin tue.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    Er trat mit dem Absatz gegen den Boden und sah mich verlegen von der Seite her an. »Man müsste dem Rat ein paar Hinweise geben. Samuel ist nur die eine Hälfte des Problems. Die Verhaftung von Avellinos Mörder würde die Lage endgültig stabilisieren.« Er holte Atem. »Warum hat jemand Avellino die Kehle durchgeschnitten?«
    Ich sagte beinahe gegen meinen Willen: »Warum hat jemand Avellino gesteckt, was in Miechowitas Haus passiert ist, und ihm die Namen genannt?«
    »Du meinst …?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich meine gar nichts. Ich habe nur eine Frage gestellt.« Ich bemühte mich zu lächeln. »Und jetzt werde ich dich mit der Aufgabe allein lassen, deine Reisetruhen wieder auszupacken.«
    »Haha. Was hätte ich eigentlich für dich tun können?«
    »Ich wollte wissen, wie gut du Zofia Weigel kennst.«
    »Du glaubst also doch, dass Weigel etwas mit Avellinos Tod …«
    »Nein«, sagte ich. »Es ist nur so, dass ich heute im Morgengrauen eine Standpauke erhalten habe, und nach und nach ist mir klar geworden, dass sie berechtigt war.«
    »Weiß ich, wovon du redest?«
    »Joseph ben Lemel«, sagte ich. »Ich erzählte ihm, dass mit seinem Sohn zu reden so ergiebig war wie ein Plausch mit einem Pferdehintern. Er meinte, ich wäre voreingenommen.«
    »Was? Weil du von Samuels Verhalten verärgert warst?«
    »Nein, weil ich mir selbst keine Chance gegeben habe, mich auch von Zofias Verhalten verärgern zu lassen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du redest in Rätseln.«
    »Kann schon sein. Manchmal bin ich mir selbst ein Rätsel. Mach’s gut, Friedrich. Das größte Rätsel bin ich im Augenblick meiner Familie. Vielleicht lassen sie mich ja jetzt nach meinem Auftritt heute Morgen wieder ins Haus – genug Zeit ist ja wohl verstrichen.«
    Friedrich lächelte, musterte mich gleichzeitig irritiert und zuckte mit den Schultern. »Ich begleite dich zum Tor«, murmelte er schließlich und ging mir voran.

    Sie waren ein halbes Dutzend, und sie standen in ihren Bewegungen wie erstarrt, als wir auf die Gasse traten. Alle Augen waren auf uns gerichtet. Der mit dem Holzeimer hatte einen Fuß nach vorn gesetzt, eine Hand am Boden des Eimers und eine am Griff, hatte mit beiden Armen schon halb ausgeholt, bevor er eingefroren war. Sie starrten uns an. Der mit der Kohle warein Stück von der Mauer zurückgetreten, als habe er sein Kunstwerk mustern wollen, bevor sein Kumpan mit dem Eimer ihm den letzten Schliff gab. Friedrich starrte fassungslos zurück. Sie waren Studenten – erste Söhne von wohlhabenden Kaufleuten, die die Geschäfte ihrer Väter übernehmen sollten, und dritte Söhne von Adligen, deren Hoffnungen auf Land oder Schwert von ihren älteren Brüdern weggenommen worden waren. Im ersteren Fall stammten sie aus dem Reich oder aus anderen polnischen Städten; im zweiten von überall her, wo die Universität von Krakau bekannt war. In keinem Fall hatte der Krakauer Zwiespalt zwischen Deutschen und Polen und zwischen den Juden und allen anderen etwas mit ihnen zu tun. Was sie nicht störte, sich dort einzumischen, wo der Krawall gesichert war; sie stellten die zuverlässige Eingreiftruppe des Chaos dar, und bei all ihrer Belesenheit und ihrer guten Herkunft waren sie doch nichts als hirnlose Totschläger, die von der Dynamik ihrer eigenen Gruppe mitgerissen wurden und die jeder Schreihals mit Leichtigkeit lenken konnte, dessen Ideen sie sich zufällig verschrieben hatten. Die meisten von ihnen waren Deutsche.
    »Eure Fresken sind nicht von Dauer«, sagte ich in das Schweigen hinein. Ich wusste, dass ich besser den Mund gehalten hätte, aber ich konnte nicht anders. »Miechowita hat seines schon abwaschen lassen.«
    Friedrich wandte sich zu mir um, und in jenem kurzen Moment, bevor das Geschehen außer Kontrolle geriet, konnte ich sehen, wie sich seine Fassungslosigkeit in Wut verwandelte. Dann …
    … sagte der Anführer der Gruppe (er stand in der hintersten Reihe – Feldherren lenken ihre Söldnertruppen auch von dort, wo sie dem Fluchtweg am nächsten sind) mit verzerrtem Mund: »Halt’s Maul, Arschloch.« Ein Deutscher, ganz richtig.
    … und Friedrich wirbelte herum und stürmte auf ihn zu.
    Er war an dem Eimerträger

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